Außenministerin Annalena Baerbock trägt einen schwarzen Hosenanzug. Sie geht lächelnd durch eine Gruppe Kinder in einem Flur. Sie wird begleitet von einer jungen Frau im Kostüm mit Brille. Beide blicken zu zwei kleinen Mädchen rechts von ihnen. Die Mädchen tragen rot-samtene Trachten mit goldenen Ornamenten verziert. Im Hintergrund stehen Menschen mit kleinen Deutschland- und Usbekistan-Flaggen.

Was bedeutet Auswärtige Kulturpolitik? Antworten auf die wichtigsten Fragen (1)

Außenpolitik ist vielen ein Begriff — aber "Außenkulturpolitik"? Was nach einem netten Extra für freundliche Weltverbesserer klingt, hat nach heutigem Verständnis durchaus Einfluss auf die Art und Weise, wie sich die Beziehungen zwischen den Ländern und Kulturen weltweit entwickeln. Wie, das beantwortet Joachim Staron in seinem Artikel.

Es fängt schon mit dem Begriff an: Als Auswärtige Kulturpolitik – offiziell sogar: Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik – bezeichnen die Deutschen ein wenig umständlich das, was man im angelsächsischen Sprachraum mit Konzepten wie Cultural Diplomacy oder Soft Power umschreibt. Darüber, wie mit Kultur Politik gemacht wird, gibt es wenig Wissen, aber viele Irrtümer. Ein paar klärende Worte.

"Es herrscht Krieg in Europa. Wer braucht da ein Nice-to-have wie Außenkulturpolitik?"

Das Gegenteil ist richtig. Und doch kennen diejenigen, die sich professionell mit Friedensförderung oder Kulturdialog befassen, diesen als Frage verkleideten Vorwurf nur zu gut. Wenn die Zeiten härter werden und die Kassen knapper, dann sind es meist die "weichen" Themen, die auf der Streichliste der Haushaltsexperten ganz oben landen.

Themen, die keinen unmittelbaren und messbaren Nutzen versprechen. Die als Luxusgüter für bessere Zeiten gelten. Kultur, das ist dann "der Schuss aus der Sahnepistole", der "fehlen darf, wenn der Kuchen kleiner wird", wie der Schriftsteller Paul Ingendaay einmal sarkastisch bemerkt hat.

"Der Schuss aus der Sahnepistole"

Nun ließe sich argumentieren, dass eine solche Einstellung kurzfristig nachvollziehbar sein kann. Etwa, wenn es darum geht, einen Aggressor wie Wladimir Putin zu stoppen oder die Bundeswehr wieder verteidigungsbereit zu machen.

Doch langfristig halten Konfliktforscher wie Hans-Joachim Gießmann, Mitglied im Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung der Bundesregierung, diese Haltung für einen strategischen Fehler: Kulturelle Faktoren spielten heute eine so entscheidende Rolle in der Auseinandersetzung zwischen Mächten mit diametral entgegengesetzten Gesellschaftsvorstellungen, dass man sie in der Konfliktprävention nicht ignorieren könne.

Kampf der Narrative wird nicht mit Panzerhaubitzen entschieden

Vor diesem Hintergrund liefert der Kulturkrieg, den Putin gegen den "dekadenten Westen", gegen Demokratie, Freiheit und Toleranz ausgerufen hat, ein starkes Argument dafür, die Auslandskulturarbeit weiter auszubauen.

Russland nutzt Manipulation, Propaganda und Desinformation, kurz: seine Version von Soft Power, um den Westen und seine Werte zu attackieren. Der Kampf der Narrative, er wird nicht mit Panzerhaubitzen entschieden werden.

In den Verlautbarungen der Bundesregierung liest sich das im Grunde ähnlich. Beim Auswärtigen Amt betont man traditionell, die Außenkulturpolitik schaffe die Grundlage für internationalen Austausch und gegenseitiges Verständnis, "auch wenn es politisch einmal schwierig wird".

Geopolitische Auseinandersetzungen auf gesellschaftlicher Ebene

Und in der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie heißt es, die kommenden geopolitischen Auseinandersetzungen würden "sich nicht nur zwischen Staaten abspielen, sondern zusehends auch auf der gesellschaftlichen Ebene. Wir stärken unsere Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und die Wissenschaftsdiplomatie, die unseren Austausch mit der Welt über Werte und Interessen vorantreiben und damit Deutschlands Chancen zur Vernetzung und Verständigung sicherstellen."

Doch dafür, den hehren Worten finanzielle Taten folgen zu lassen, bedurfte es im Bundeshaushalt 2023 erst einer Extrarunde. Zunächst hatten teils empfindliche Kürzungen im Raum gestanden. Paul Munzinger wunderte sich in der Süddeutschen Zeitung Anfang September 2022, die weltweite Krise der Demokratie müsste eigentlich Grund genug sein, den Aufwand der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu steigern: "Überraschenderweise ist das Gegenteil der Fall."

Gesamtetat für Außenkulturpolitik dürfte für 2024 sinken

Immerhin, im Zuge der Nachverhandlungen gab es fürs Erste ein Happy End. Die Kürzungen wurden zurückgenommen; der Gesamtetat liegt heute bei 1,072 Milliarden Euro. Er dürfte allerdings nach dem vorliegenden Haushaltsentwurf für 2024 eher sinken als steigen.

Wer bezweifelt, dass dieses Geld gut angelegt ist, dem sei ein Blick nach Peking empfohlen. Würde ein Land wie China, das vergleichsweise unverdächtig ist, "L'art pour l'art" zu betreiben, weltweit rund 550 Konfuzius-Institute finanzieren und Jahr für Jahr mehrere Milliarden in seine Soft Power investieren, wenn es sich davon nicht handfeste Vorteile verspräche?

"Eine Milliarde Euro für Außenkulturpolitik ist dennoch zu viel"

Definiere: zu viel. Die 1,072 Milliarden Euro, die derzeit für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ausgegeben werden, entsprechen rund einem Siebtel der 7,475 Milliarden Euro, die im Bundeshaushalt 2023 insgesamt für das Auswärtige Amt vorgesehen sind.

Bedenkt man, dass die Auslandskulturarbeit nach einem Wort Willy Brandts als "dritte Säule" der Außenpolitik gilt, dann erscheint das schon rein mathematisch nicht übertrieben. Und es relativiert sich weiter, wenn man in Rechnung stellt, dass die Auswärtige Kulturpolitik gerade mal einen Anteil von rund 0,23 Prozent am gesamten Bundeshaushalt ausmacht.

Weniger als ein Prozent des gesamten Bundeshaushalts

Von diesen 1,072 Milliarden werden gefördert, die Liste ist lang, aber nicht vollständig: das Goethe-Institut in München mit 158 Instituten in 98 Ländern, das ifa – Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart und Berlin, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die Alexander von Humboldt-Stiftung, die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen mit ihren rund 140 Deutschen Auslandsschulen, der Pädagogische Austauschdienst und die Deutsche UNESCO-Kommission (alle in Bonn), außerdem das Haus der Kulturen der Welt in Berlin, das Deutsche Archäologische Institut in Berlin mit Außenstellen u. a. in Athen, Madrid, Rom und Peking sowie die Deutsche Welle mit Sitz in Bonn und Berlin und Studios in Brüssel, Riga und Washington.

Vergleichsweise niedrige Investitionen

Zum Vergleich: Alternativ ließen sich von den Ausgaben für die Auslandskulturarbeit um die 60 Panzerhaubitzen finanzieren, etwas mehr als ein Siebtel des Berliner Flughafens BER oder der Spielerkader des aktuellen Champions-League-Siegers Manchester City. Fußball-Fans, die das für einen guten Deal halten, sollten ihre Euphorie allerdings zügeln.

Nicht nur, weil der Marktwert des City-Kaders seit dem Titelgewinn im Juni weiter gestiegen ist, sondern auch, weil Club-Besitzer Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan, Mitglied der königlichen Familie von Abu Dhabi, seit 2008 sogar geschätzte zwei Milliarden Euro investiert hat, um sich den Traum vom Henkelpott zu erfüllen.

Und das ist immer noch ein Schnäppchen im Vergleich zu dem, was der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, dem Vernehmen nach für die Ausrichtung der Fußball-WM 2022 auf den Tisch legen musste – bis zu 220 Milliarden US-Dollar.

"Abu Dhabi hat die Champions League. Wie viele Pokale hat Deutschlands Außenkulturpolitik?"

Keinen. Und das ist auch nicht ihr Job. Nicht einmal für Abu Dhabis Herrscherfamilie selbst sind die Titelgewinne der "Citizens" mehr als ein Mittel zum Zweck. Wie der Nahost-Experte Sebastian Sons im Vorfeld der Katar-WM in der Zeitschrift "Internationale Politik" schrieb, nutzten kleine Emirate am Golf den Sport, "um das eigene Geschäftsmodell attraktiver zu gestalten, ausländische Investoren anzulocken und den Sport als Schutzschirm vor ausländischen Aggressionen zu nutzen". Bis jetzt hat sich das Engagement Abu Dhabis bei Manchester City in dieser Hinsicht gelohnt; ob es dauerhaft Früchte tragen wird, muss sich noch erweisen.

Ansehen kann sich fast nie durch Manipulationsversuche verbessern

Eine verlässlichere empirische Basis haben wir für sportliche Großereignisse. In der Regel halte der Zugewinn an Prestige durch ein solches Event weniger als ein Jahr vor, schrieb der britische Politikberater Simon Anholt schon vor Jahren, ebenfalls in der "Internationale Politik". Das Ansehen von Staaten kann sich Anholt zufolge bestenfalls über Jahrzehnte oder Generationen wandeln, aber fast nie infolge gezielter Manipulationsversuche.

Nur wenn es einem Land gelinge, seine Soft Power zu mehren, indem es die "Menge, Qualität und Relevanz seiner kulturellen, kommerziellen, sozialen und politischen Beziehungen zum Rest der Menschheit erhöht, dann wird sich sein Ansehen auf Dauer verbessern".

Katar-WM kein Einzelevent, sondern Teil einer Strategie

Dass Deutschland heute in verschiedenen Beliebtheitsrankings in der Spitzengruppe liegt, hängt also nur zu einem geringen Teil mit Ereignissen wie dem Sommermärchen 2006 oder der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft 2024 zusammen. Und auch in Katars Soft-Power-Strategie war die WM 2022 kein Einzelevent, sondern "der vorläufige Höhepunkt in einer Kette von Sportveranstaltungen und anderen kulturellen Großereignissen" (Sebastian Sons).

Bleibt die Frage: Wie misst man den Erfolg von Außenkulturarbeit? Wenn es um die Soft Power geht, zu der die Auswärtige Kulturpolitik ihren Beitrag leistet, dann erscheint die Sache noch einfach. Simon Anholt zufolge gibt es eine ganze Reihe von belastbaren Forschungsergebnissen, die dokumentieren, dass ein positives und starkes nationales Image erhebliche Zugewinne bei Exporten, ausländischen Direktinvestitionen oder in der Tourismusbranche mit sich bringt.

Krisenprävention ist schwierig auszuwerten

Schon schwieriger ist es, Fortschritte in der Krisenprävention zu quantifizieren. "There's no glory in prevention", hieß es in der Debatte um die Eindämmung der Corona-Pandemie oft: Mit Katastrophen, die nicht stattfinden, erwirbt man keinen Ruhm. Der Erfolg von Prävention lasse sich zudem selten auf spezifische Maßnahmen einzelner Protagonisten zurückführen, sagt der Konfliktforscher Gerrit Kurtz – "auch weil sensible Verhandlungen meist im Vertraulichen stattfinden".

Hinzu komme, dass die Auslandskulturarbeit an der Krisenvorsorge einen wichtigen, aber vorwiegend indirekten Anteil habe, etwa durch die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts oder durch die Schaffung von Gelegenheiten für freie Meinungsäußerung im "vorpolitischen Raum".

Auch die Suche nach messbaren Erträgen von Sprachkursen, Austauschprogrammen, Ausstellungen oder Medienbeiträgen wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet. Sind die Teilnehmer- und Besucherzahlen das maßgebliche Kriterium, sind es die Online-Klicks, oder sind es die erreichten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren? Zudem findet ein Großteil der Aktivitäten im Ausland statt, wird in Deutschland also kaum wahrgenommen. Und wie erfolgreich das alles unterm Strich ist, erweist sich ohnehin erst über Generationen.

Die vielen kleinen Erfolge vor Ort machen Außenkulturpolitik so wertvoll

Am Ende ist es die Summe aus unzähligen kleinen Erfolgen, die das Gelingen von Außenkulturpolitik ausmacht. Da ist etwa der peruanische Übersetzer Juan José del Solar, von dem Paul Ingendaay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichtet. Del Solar, der sein Deutsch im Goethe-Institut Lima gelernt hatte, brachte Goethe, Thomas Mann und andere Klassiker ins Spanische; die von ihm übersetzte Werkausgabe der Schriften Elias Canettis gilt unter Kennern als wegweisend.

Kulturaustausch von heute formt die Welt von morgen

Oder die Geschichte aus dem Goethe-Institut Lissabon, die Ronald Grätz, Ex-ifa-Generalsekretär und Leiter des Goethe-Instituts Barcelona, im Podcast "Die Kulturmittler:innen" erzählt. Hier hatte man zu Zeiten der Diktatur in den frühen 1970er Jahren den seinerzeit verbotenen Bertolt Brecht aufgeführt. Zwar mit einem misstrauischen Geheimdienst vor der Tür, aber doch im Wissen, dass die Menschen das Institut in diesem Moment als Hort der Freiheit empfanden: "Das hat man in Portugal nie vergessen."

Und ob der legendäre Sony-Manager und "Vater der CD" Norio Ohga sich auch deshalb im Jahr 2000 dafür entschied, Berlin als Standort der Europa-Zentrale von Sony zu wählen, weil er einst als DAAD-Stipendiat in Deutschland studiert hatte? Mit letzter Sicherheit wird das ebenso wenig zu beweisen sein wie die Legende um die CD-Spieldauer: Angeblich hatte Ohgas Ehefrau Midori den Wunsch geäußert, auf einer CD möge doch bitte die von ihr besonders geliebte Neunte Symphonie von Beethoven Platz finden – und die seinerzeit längste Version der Symphonie dauerte 74 Minuten.

Noch mehr Antworten gibt es im zweiten Teil des Artikels:

Was bedeutet Auswärtige Kulturpolitik? Noch mehr Antworten (2)

Dieser Artikel wurde erstmals veröffentlicht am 28.08.2023 unter dem Titel „Gegen den Strich: Auswärtige Kulturpolitik“ auf Internationale Politik und in der Zeitschrift "Internationale Politik" Ausgabe 5, September/Oktober 2023, S. 100-105.

Über den Autor
Ein Mann mit hellbrauchnen Haaren und leicht graumeliertem kurzem Bart. Er trägt ein dunkel-blaues Jackett und ein weißes Hemd. Seine Arme sind verschränkt, er lächelt in die Kamera.
Dr. Joachim Staron

Joachim Staron ist Redakteur der "Internationalen Politik". Zuvor war er u. a. Pressesprecher des ifa – Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart, sowie Redakteur für die Zeitschrift Kulturaustausch.