Flur und Windfang, Schlafzimmer, Küche, Abstellkammer, Klo, das letzte Loch, das kleinste Wichsen, Puff, das große Wichsen, das Ende, Atelier, Kaffeezimmer, im Kern, Liebeslaube. Was klingt wie eine irritierende Aneinanderreihung alltäglicher bis merkwürdig intimer Raumsituationen stellte im Deutschen Pavillon bei der 49. Kunstbiennale in Venedig den künstlerischen Beitrag von Gregor Schneider dar. Der Kurator Udo Kittelmann wählte einen Künstler aus, der "am Bild extremer Lebensräume" arbeitet, "am Widerstreit der ewigen Gegensätze des Seins". Dabei arbeitete der damals 31-jährige Schneider bereits seit über anderthalb Jahrzehnten am "Haus u r", der andauernden Modifikation des elterlichen Wohnhaus am Stadtrand vom rheinländischen Rheydt. In diesem (lebt und) arbeitet der Künstler und produziert die Ausstattung für seine Werke, die auf die fragmentarische bis vollständige Transplantation, Verpflanzung, Doppelung des "Haus u r" ins "Totes Haus u r" an einen anderen Ort warten, das in Schneiders Sinn "abgetötet" ist. Doch es geht keineswegs um das Klonen von Architektur, vielmehr erkundet die Arbeit die Wirkung des Zustands seiner Räume, und setzt somit den Menschen und den Raum in eine nach innen fühlende Beziehung.
In Venedig betrat man das monumentale Gebäude des Pavillons durch eine bieder wirkende Haustür. Nur 15 Personen konnten gleichzeitig das Werk erkunden, demnach bildeten sich davor lange Schlangen. Hinter dem Eingang erwarteten einen nicht die großen Hallen, sondern schmale Gänge, steile Stiegen, verschachtelte Räume, normierte Durchgänge. Die bundesrepublikanische Nachkriegszeit in Reinform. Man konnte das "Haus" verlassen und hatte nichts Außergewöhnliches bemerkt. Und gerade diese gewöhnliche Erfahrung stellte den von Schneider geschaffenen Lebensraum der (Selbst)Reflexion dar, denn jene Raumschichtungen waren "eher emotional als rational" wahrzunehmen, es handelte sich laut Kittelmann um ein "komplexes Raumsystem unterschiedlicher Atmosphären". Schneider selbst sprach von "unsichtbaren energetischen Skulpturen", die wie eine "zweite Haut" wirkten, immer im Wandel, denn der Zustand der Räume wurde fortwährend fortgeschrieben.
Das Haus als gebaute Seele, wie das Werk "Totes Haus u r" häufig gedeutet wurde, kam Schneiders Traum das gesamte "Haus ur" zu transplantieren, sehr nah. Die Arbeit überzeugte auch die Biennale-Jury und gewann den Goldenen Löwen für den besten nationalen Beitrag.