Resilienz neu gedacht: Wie sozio-ökologische Nachhaltigkeit wirklich nachhaltig wird

Jeder spricht zurzeit von "Resilienz". Von einigen als Lösung für die Klimakrise gefeiert, wird sie von anderen dagegen wegen ihrer Ungenauigkeit und der Möglichkeit für Regierungen, Verantwortung abzugeben, kritisiert. Die CCP-Absolventin Alejandra Cely aus Kolumbien spricht über die Möglichkeiten für Resilienz in ihrem Land, die Macht von Synergien und über Graswurzelbewegungen.

"Wenn es sich anfühlt, als ob in der Welt alles schief läuft und es keine Hoffnung gibt, dann schaue ich mir die Graswurzelbewegungen an und hole mir Inspiration. Es lässt mich hoffen, wenn ich die engagierten Menschen in ihren Gemeinden sehe, die ihr Bestes geben," sagt María Alejandra Cely Gómez, kolumbianische Ökologin und Absolventin des ifa CrossCulture-Programms. Alejandra glaubt fest an Graswurzelorganisationen (engl.: grassroots organisations) und ihre Fähigkeit, Hoffnung zu verbreiten angesichts der überwältigenden Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt. Als Masterstudentin im Bereich sozio-ökologischer Resilienz für nachhaltige Entwicklung an der Universität Stockholm weiß Alejandra, wie wichtig der Aufbau von Resilienz sowohl in sozialen als auch ökologischen Systemen ist.

© Alejandra Cely Gómez

Sozio-ökologische Resilienz spiegelt die Fähigkeit sozialer und ökologischer Systeme wider, mit dem Wandel fertig zu werden und sich anzupassen, insbesondere angesichts einschneidender Ereignisse wie Naturkatastrophen, dem Klimawandel und Konjunkturschocks. "Aus der Perspektive der sozio-ökologischen Resilienz heißen die drei Strategien zur Bewältigung des Wandels und zur Reaktion auf ihn Beharrlichkeit, Anpassung und Wandel," erklärt Alejandra.

Die Anwendung von Trans­­for­­ma­tions­­stra­­te­gien ist ein Privileg

Die Beharrlichkeit erhält lebenswichtige Komponenten eines Systems, das unter Druck steht, wie z. B. die Wiederherstellung von Feuchtgebieten bei gleichzeitiger Urbanisierung, Abfluss oder dem Klimawandel. Zu den notwendigen Maßnahmen gehören die Wiederbelebung degradierter Gebiete, die Steuerung des Wasserflusses und die Eindämmung der Verschmutzung; Anpassung dagegen bedeutet, das System so zu verändern, dass es mit neuen Herausforderungen fertig wird, einschließlich neuer Technologien, Praktiken und sozialer und kultureller Normen. So kann es beispielsweise sein, dass Gemeinden ihre Wassernutzungspraktiken und ihre Infrastruktur während Dürreperioden anpassen müssen. Resilienz zeigt sich in Maßnahmen wie Wassereinsparung, Regenwassersammlung und dürreresistenter Landschaftsgestaltung. Die letzte Strategie ist der Wandel. Hierzu gehören größere Veränderungen, die sich an Nachhaltigkeitsgrundsätzen und -zielen ausrichten, wie zum Beispiel der Übergang zu einer auf erneuerbaren Energien basierenden Wirtschaft mit entsprechenden Ansätzen, mit Forschung und Technologieentwicklung.

Durch Wissen und Nachdenken wird sozio-ökologische Resilienz geschaffen.

Alejandra Cely

Alejandra räumt ein, dass die Anwendung dieser Strategien vom jeweiligen Kontext abhängt. "Es ist ein Privileg, Transformationsstrategien anwenden zu können", fügt Alejandra hinzu. "Wir können einige Beispiele für Transformation im globalen Norden erkennen, aber man kann nicht erwarten, dass Menschen, die Konflikte und Katastrophen erleben wie derzeit im Sudan, in Pakistan oder der Ukraine, über Transformation nachdenken, wenn es für sie hauptsächlich ums Überleben geht."

Auf die Frage, wie sozio-ökologische Resilienz geschaffen wird, antwortet die kolumbianische Ökologin: "Durch Wissen und Nachdenken." Wie sich die heutigen Naturphänomene von denen der Vergangenheit unterscheiden, warum es zu einer bestimmten Jahreszeit regnet, warum es zu Überschwemmungen kommt und was getan werden kann, um deren Auswirkungen abzumildern - all das sind relevante Fragen. Alejandra ermutigt die Menschen, sie zu stellen und über sie nachzudenken. "Wissen ist wesentlich. Wir brauchen es, um zu bestehen, uns anzupassen und die notwendigen Veränderungen vorzunehmen."

© Alejandra Cely Gómez

Red de Viveros Huellas Verdes, ein Netzwerk indigener Bauern in Nariño, Kolumbien, ist ein Beispiel für die Widerstandsfähigkeit der Graswurzelbewegung. Die ursprünglich durch einen UNDP-Zuschuss während Alejandras Amtszeit finanzierten Projekte zur Wiederbepflanzung und Saatgutsammlung werden vom Netzwerk selbständig weitergeführt. Auch werden Netzwerke mit Bauern verschiedener Regionen zur Wiederbepflanzung geknüpft und staatliche Stellen mit angebauten Pflanzenarten beliefert.

Alejandra zufolge liegt die Stärke der Initiative in ihrer tiefen Verbundenheit mit dem Land, die ein transformatives Wachstum ermöglicht. Sie stammen aus verschiedenen Regionen und wissen um die Kraft der Synergie. Außerdem ist der Erfolg der Initiative auf polyzentrische Führungsstrukturen zurückzuführen.

Polyzentrische Führung, ein sozio-ökologischer Resilienzgrundsatz, umfasst die Entscheidungsfindung durch multiple Zentren und und fördert so die Zusammenarbeit bei der Problemlösung auf verschiedenen Ebenen. Sie erkennt die Beteiligung verschiedener Akteure an der Steuerung sozio-ökologischer Systeme an und fördert Resilienz und Nachhaltigkeit.

Resilienz ist nicht von Natur aus gut oder schlecht.

Alejandra Cely

Alejandra ist der Meinung, dass dieser Grundsatz über die Theorie hinausgehen und in die Praxis umgesetzt werden sollte. Red de Viveros Huellas Verdes ist ein Beispiel für die horizontale Koordinierung mit anderen Bauernnetzwerken und die vertikale Koordinierung mit der Regierung und NROs, was die Anwendung der Polyzentralität widerspiegelt. "Polyzentralität ist ein Grund, warum sozio-ökologische Resilienzprojekte so wirkungsvoll sind", fügt Alejandra hinzu.

"Manche Menschen mögen das Wort 'Resilienz' nicht und halten es für ein Modewort", räumt Alejandra ein, "vor allem, wenn die politischen und machtpolitischen Dynamiken in sozio-ökologischen Systemen außer Acht gelassen werden." Wenn sich der Resilienz-Ansatz ausschließlich auf die individuelle und gemeinschaftliche Ebene konzentriert, besteht die Gefahr, dass er die Resilienz entpolitisiert und die Regierungen von ihrer Verantwortung entbindet, die notwendigen Ressourcen und Unterstützung zur Förderung der Resilienz bereitzustellen. Dieser Mangel an Verantwortlichkeit kann langfristig zu Anfälligkeit und Ungleichheit führen. Um die Widerstandsfähigkeit wirklich zu fördern, müssen die Ursachen von Anfälligkeiten wie Armut, Diskriminierung und Umweltzerstörung angegangen werden, die häufig in politischen und strukturellen Problemen wurzeln und politische Lösungen erfordern.

© Alejandra Cely Gómez

"Das Konzept der Resilienz kann maßgebend sein", fügt Alejandra hinzu. "Resilienz wird zwar oft als positiv angesehen, ist aber nicht von Natur aus gut oder schlecht." Sie gibt ein Beispiel für die Produktions- und Konsumzyklen im globalen Norden. Sie werden oft gelobt und als widerstandsfähig bezeichnet, da sie sich als anpassungsfähig erwiesen haben und in der Lage, sich von verschiedenen Schocks zu erholen, darunter wirtschaftliche Rezessionen, Pandemien oder Naturkatastrophen. Diese Widerstandsfähigkeit hat jedoch ihren Preis, einschließlich sozialer und ökologischer Auswirkungen, von denen besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark betroffen sind.

Alejandra betont, wie wichtig es ist, Resilienz und ihre Auswirkungen in verschiedenen Kontexten kritisch zu bewerten. Man muss sich die Frage stellen, wofür Resilienz aufgebaut wird, wem geholfen wird und wer möglicherweise zurückbleibt oder negativ beeinflusst wird. Es muss unbedingt berücksichtigt werden, wer von den Bemühungen zur Stärkung der Resilienz profitiert.

Autorin
Rawan Baybars

Rawan Baybars ist Absolventin des CrossCulture-Programms von 2015 und Bloggerin. Sie lebt in Amman, Jordanien. Sie hat einen Master-Abschluss in Migration und Humanitäre Entwicklung von SOAS, Universität London. Sie arbeitete für UNHCR und das Rote Kreuz und ist zurzeit beim norwegischen Flüchtlingsrat beschäftigt und ist eine Teilnehmerin des Ausbildungsprogramms für journalistisches Schreiben beim ifa.

CrossCulture Programm

Das CrossCulture Programm (CCP) ermöglicht Berufstätigen und freiwillig Engagierten einen Blick über den kulturellen Tellerrand! Die Stipendiatinnen und Stipendiaten sammeln in Gastorganisationen in Deutschland oder in einem der über 40 Partnerländer professionelle Erfahrungen. Ziel der berufsbezogenen Aufenthalte ist es, zivilgesellschaftliche Netzwerke zwischen Deutschland und der Welt nachhaltig zu stärken.