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Ein Fenster zur Welt

40 Jahre ifa-Ausstellungsförderung: Mit mehr als vier Jahrzehnten Erfahrung und über 2.000 künstlerischen Positionen im Ausland unterstützt das ifa Künstler:innen weltweit. Was hat sich verändert? Wie hat sich die Ausstellungsförderung entwickelt? Und was bewirkt sie? Ein Rückblick.

"Das war für uns sehr wichtig", sagt Sylvia Winkler über die Ausstellungsförderung, die sie und Stephan Köperl 2007 für das Lijiang Studio in den Bergen der Provinz Yunnan, in der Volksrepublik China, vom ifa - Institut für Auslandsbeziehungen erhielten. Zwei Jahre zuvor hatten sie Jay Brown, den Gründer des Lijian Studios, auf dem Media Art Festival in Bangkok kennengelernt. Brown lud die beiden Künstler:innen in sein Studio ein. In Lijiang war Gegenwartskunst aus Europa damals noch ganz neu. In China beschränkte sie sich fast ausschließlich auf einige wenige Galerien in Beijing und Shanghai. Mit ihrem Video und Performances vor Ort konfrontierten Winkler und Köperl die Ausstellungsbesucher:innen mit einem Blick von außen auf aktuelle Begebenheiten in der Provinz. Die ifa-Förderung eröffne ein Fenster zur Welt, meint Sylvia Winkler. Das Programm halte sie für besonders wichtig, weil Mittel nicht nur Institutionen für große Vorhaben, sondern niederschwellig auch Künstler:innen für "Projekte, die man selber organisiert, wo kein Geld da ist" zur Verfügung stehen. 

An die 2.000 geförderte Projekte

Seit 40 Jahren gibt es das Programm, das bereits mehr als 2.000 künstlerische Positionen im Ausland unterstützt hat. In dieser Zeit hat sich auf dem Gebiet der Kunst eine Menge getan. 1982: das war das Jahr der Documenta 7, die sich, nach vorangegangenen Diskussionen über Neue Medien wie Video und Fotografie, wieder stark auf die Malerei konzentrierte. Es war die Zeit der "Neuen Wilden" und der Transavantgarde: von Männern dominierte Künstlervereinigungen. Die vom ifa unterstützten Projekte machten keine Ausnahme: Zu den sechs geförderten Projekten des ersten Jahres gehörte eine große Einzelausstellung von Anselm Kiefer in der Whitechapel Gallery in London.

Bouchra Khalili: Hôtel El Safir, Ex-Aletti, Algier Stadtzentrum. Wohnsitz der Black Panther Party Delegation während des 1969 Pan-African Festival in Algier. Fig. 1: Eingang des ehemaligen Casinos des Auswärtigen Amts, Mixed-Media-Installation, 2015. C-Druck. Genehmigung durch Bouchra Khalili und Mor Charpentier Gallery, Paris.

Günther C. Kirchberger stellte im Künstlerhaus Wien aus. Zwischen Performance und Fotografie bewegte sich dagegen die Arbeit von Jürgen Klauke, der in Graz ausstellte, während das siebenbürgische Künstlerpaar Peter und Ritzi Jacobi im dänischen Aalborg seine textilen Arbeiten zeigte. Georg Baselitz stellte 1985 in Paris, Albert Oehlen zwei Jahre später in Graz aus. Zunehmend sind auch Künstlerinnen, die dieses Jahrzehnt entscheidend mitgestalten, in den Förderungen sichtbar: Katharina Fritsch, Rebecca Horn, Rosemarie Trockel, Ina Barfuß. Auch der Radius erweitert sich über Europa hinaus: 1983 auf die USA, mit einer Ausstellung von Ulrike Rosenbach im Institute of Contemporary Art in Boston. 1984 unterstützt das ifa eine Ausstellung von Joseph Beuys im Seibu Art Museum in Tokio. Doch in den 1980er-Jahren bleibt die Zahl der Projekte außerhalb der "westlichen Welt" überschaubar: eines in Marokko, eines in China, eines in Chile, zwei in Venezuela, zwei auch in der Sowjetunion. 

Zeit der "Biennalisierung"

Das ändert sich mit dem Fall der Berliner Mauer im Wendejahr 1989, als die Ausstellung "Magiciens de la terre" in Paris erstmals den Blick auf die aktuelle Kunst der Südhemisphäre lenkt und sich wegweisende Institutionen wie das ZKM oder das Haus der Kulturen der Welt gründen. Nachdem in São Paulo schon 1951 und in Havanna 1984 Biennalen gegründet worden waren, beginnt nun, von Istanbul, Dakar und Johannesburg ausgehend, die große Zeit der "Biennalisierung", die mit den bisher größten Kunstausstellungen der Welt im südkoreanischen Gwangju 1995 und 1997 einen Höhepunkt erreicht. Die immer zahlreicheren Biennalen in allen Teilen der Welt sind der Motor einer Globalisierung auf dem Gebiet der Kunst, also eines weltweiten Austauschs zwischen Künstler:innen und Kurator:innen, ein Forum der Verhandlung von Konzepten, Ideen und Wertvorstellungen. Die Förderung internationaler Biennalen ist ein wichtiger Bestandteil des ifa und trägt maßgeblich zur Sichtbarkeit der künstlerischen Beiträge aus Deutschland bei. Über die Jahre nahm die Zahl der geförderten Ausstellungen stetig zu: von anfangs sechs auf mittlerweile bis über 70 jährlich. Unter den geförderten Ausstellungen des letzten Jahrzehnts fanden 118 in asiatischen Ländern und 43 in Südamerika statt, während auf dem afrikanischen Kontinent die Zahl erst in jüngerer Zeit auf nunmehr 30 gestiegen ist.

Antrag stellen und los!

Auch schon vor 1982 hat das ifa Ausstellungen deutscher Künstler:innen in anderen Ländern gefördert, etwa auf der Biennale von São Paulo. Der seit 1982 übliche Papierantrag ist mittlerweile einem digitalen Antragssystem gewichen. Künstler:innen, Kurator:innen oder die ausstellenden Institutionen können zweimal im Jahr, zum 31. Januar und zum 15. August, einen Förderantrag für die Künstler:innen aus Deutschland stellen. Benötigt werden die Einladung der ausstellenden Institution, sowie Informationen zu den Künstler:innen und deren Arbeiten. Über die Bewerbung entscheidet eine unabhängige Expert:innenjury.

Simon Denny: Installationsansicht, © Foto: Marion Dessard | Mudam Luxembourg.

Breites Themen- und Medienspektrum

Gefördert wurden in den vergangenen Jahren unter anderem Beiträge zu den Biennalen von Taipeh, Havanna, São Paulo, Gwangju und der Manifesta ebenso wie größere Gruppenausstellungen, unter anderem "US and THEM" 2021 in der Kapana Gallery im bulgarischen Plovdiv oder "Post-Capital: Kunst und Ökonomie im digitalen Zeitalter" im Museum für zeitgenössische Kunst MUDAM in Luxemburg, vielleicht die größte und ambitiöseste Ausstellung, die dort bisher stattgefunden hat. In solchen Fällen kann ein Antrag für alle beteiligten Künstler:innen aus Deutschland gestellt werden. Vielfach sind es auch kleinere Projekte abseits der Biennalen und großen Museen, die unterstützt werden. Andrea Diefenbach etwa zeigte 2016 im Oregon Center for the Photographic Arts in Portland ihre beeindruckende Fotoserie "Land ohne Eltern", über Kinder, die in Moldawien ohne ihre Eltern aufwachsen, weil diese gezwungen sind, im Westen Europas Arbeit zu suchen. Stine Marie Jacobsen konnte in Beirut in Zusammenarbeit mit der wegweisenden Association Ashkal Alwan ihr Video "Direct Approach" vorstellen und einen Diskurs anregen, in dem sie Menschen, ausgehend von Filmszenen, nach ihren Gewalterfahrungen befragt. Das Thema stieß in dem von Bürgerkrieg und andauernden Spannungen geprägten Land auf großes Interesse. In Oslo zeigte die interdisziplinär arbeitende Künstlerin Bouchra Khalili ihr Projekt zu antikolonialen Bewegungen im globalen Süden und Norden.  

Netzwerke und Erfahrungen multiplizieren sich

Anders als zu Beginn des Programms vor vierzig Jahren, als zunächst bekannte Künstler:innen wie Anselm Kiefer, Joseph Beuys, Georg Baselitz oder Rosemarie Trockel hauptsächlich in europäischen Ländern ausstellten, hat sich der Wirkungsradius der Förderung bedeutend erweitert. Das ifa eröffnet ein "Fenster zur Welt", für die Künstler:innen ebenso wie für die ausstellenden Institutionen, und setzt damit eine wechselseitige Reflexion in Gang. Wenn sich diese in der Regel auf einen begrenzten Kreis von Beteiligten beschränkt, so multiplizieren sich doch wie in einem Schneeball-System die Effekte: Künstler:innen – und Institutionen – knüpfen neue Netzwerke, gewinnen neue Erfahrungen, entwickeln neue Ideen, die sie wiederum an anderen Orten vorstellen. Der Austausch von teils unterschiedlichen Wertesystemen zwischen Künstler:innen und Publikum erweitert das Bewusstsein für andere Lebensrealitäten. Die oft kritische Auseinandersetzung mit sozialen und politischen Ungerechtigkeiten deckt Themen auf, die sonst verborgen geblieben wären. Dieser Kontakt bildet den Nährboden für Toleranz und Verständnis für fremde Alltagswirklichkeiten.  

Darstellung der seit 1982 vom ifa geförderten Ausstellungen

In der interaktiven Tabelle sind alle bisher geförderten Ausstellungen nach Ländern von 1982 bis 2021 dargestellt.