Man sieht eine Illustration einer diversen Personengruppe.

Diversität in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik

Wie werden öffentliche Förder­mittel im Bezug auf Diversität verteilt? Eine Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrations­forschung (DeZIM) beleuchtet diese Frage in Hinblick auf die Auswärtige Kultur- und Bildungs­politik (AKBP). Das ifa hat hier die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst.

Was bedeutet Diversität? Im Allgemeinen werden damit Unterschiede zugeschriebener, personenbezogener Merkmale einer definierten Gruppe bezeichnet. Aufgrund der Dynamik dieses Begriffes variieren die Merkmale je nach Kontext. Ethnische Herkunft, Geschlecht, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Orientierung sind häufige (zugeschriebene) Eigenschaften, die für eine bestimmte Gruppe zu Benachteiligung und Ausschluss, also Diskriminierung, führen können. Was als Diskriminierung zählt, hängt maßgeblich von dem Diversitätsverständnis der Gesellschaft ab. 

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag 2021 vorgenommen, die Diversität in verschiedenen Bereichen der Politik und Gesellschaft stärker zu fördern. Dazu zählt vor allem auch die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) des Auswärtigen Amts. Im Zentrum des Berichts des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) steht die Relevanz von Diversität innerhalb der AKBP. 

Charakteristisch für die AKBP als "dritte Säule" der Außenpolitik ist die Schaffung von vorpolitischen Freiräumen für Dialog und Austausch in Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Kunst. In Zeiten einer angespannten weltpolitischen Lage ist eine deutsche AKBP, die werteorientiert, diversitätsorientiert und resilient auftritt und dies auch außenpolitisch vertritt, besonders wichtig. Diversität ist Teil einer werteorientierten AKBP und sollte auch in den Organisationsstrukturen gelebt werden, um das demokratische Versprechen auf gleiche Rechte und Teilhabe nach außen hin glaubwürdig zu vertreten. Welcher Zusammenhang besteht zwischen öffentlicher Förderung und Diversität in den zivilgesellschaftlichen Organisationen? Welche Rolle spielt Diversität in der Förderpraxis des Auswärtigen Amts und der Mittlerorganisationen? Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich daraus? 

Ausgehend von der Tatsache, dass Diversität in vielen Bereichen der staatlichen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen noch immer unzureichend ist, beantwortet der Bericht die oben genannten Fragen. Besonders für die in der AKBP aktiven Organisationen ist es wichtig, Diversität in den eigenen Strukturen einzuführen und dort die Diversität in der Gesellschaft widerzuspiegeln. Zu den Untersuchungsschwerpunkten gehören daher die organisationale Diversität entlang verschiedener Kriterien, Zugangs- und Auschlussmechanismen zu öffentlichen Fördermitteln, sowie Hindernisse und Potenziale für die Weiterentwicklung. Beachtet wird sowohl die Perspektive der Fördergeldgeber als auch die der Fördergeldempfänger. 

Die Umsetzung von Diversitätsmaßnahmen steht in den Anfängen

Nur wenige der zivilgesellschaftlichen Organisationen haben bisher mindestens eine Diversitätsmaßnahme, wie die Einstellung von Diversitätsbeauftragten, die Entwicklung einer Diversitätsstrategie oder eine Selbstverpflichtung umgesetzt. Dies sind weniger als 20% bei 1.286 Befragten. Dazu gibt es strukturelle Unterschiede zwischen den Organisationen, die bereits die ein oder andere Maßnahme umsetzen. Formalisierte Aspekte von Diversität gibt es vor allem in finanziell und personell gut aufgestellten Organisationen. Ein geringeres Budget führt demnach häufig zur Vernachlässigung des Diversitäts-Bereichs.

Mehr als die Hälfte der befragten Organisationen schätzen die gelebte Diversität im Alltag in den eigenen Strukturen aber als eher hoch ein. Dazu gehören z.B. die Verwendung vielfaltssensibler Sprache, die Berücksichtigung unterschiedlicher Lebensentwürfe, ein Arbeitsklima, das sich kritisch gegenüber Diskriminierung verhält, oder ein diverses Team. Der Diskriminierung ausgesetzte Gruppen sind in Personal und Zielgruppen unterrepräsentiert. Am stärksten realisiert wird Diversität in Alter und Geschlecht, am wenigsten repräsentiert sind Personen mit Behinderung oder Fluchterfahrung. Die Formulierung von Kriterien könnte dabei helfen, die Repräsentationen verschiedener sozialer Gruppen zu verstärken. 

Vor allem jüngere Organisationen beschäftigen sich mehr mit dem Thema Diversität. Präsent sind in den Organisationsstrukturen allerdings vermehrt allgemeine Themen wie "Integration und sozialer Zusammenhalt" und wenig spezifische wie z.B. "Gender und Sexualität". Dies kann durch themenspezifische Förderprogramme beeinflusst sein. Es zeigt sich also, dass sowohl formelle, aber auch gelebte Diversität Ressourcen benötigt. 

Am stärksten realisiert wird Diversität in Alter und Geschlecht, am wenigsten repräsentiert sind Personen mit Behinderung oder Fluchterfahrung.

Fördermittelvergabe und Zugangsbarrieren

Es gibt strukturelle Ungleichheiten trotz öffentlicher Förderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Diversitätsbezug. Insbesondere Organisationen mit einem hohen Grad gelebter Diversität (74%) und formalisierter Diversität (77%) erhalten Fördermittel. Als Zugangsbarrieren und Ausschlussmechanismen wurden vor allem der bürokratische Aufwand genannt. Besonders für Organisationen mit weniger Ressourcen (Zeit, Personal, Wissen) stellt dieser Herausforderungen dar. Aber auch kurze projektbezogene Förderungen oder geringe Fördersummen sind Hürden. 

Insgesamt gibt es ein Informationsdefizit über Förderprogramme. Nicht alle Befragten wissen, dass das Auswärtige Amt auch im Inland zivilgesellschaftliche Organisationen fördert. Es herrscht eine Intransparenz in der Fördermittelvergabe. Die Informationen holt sich die Mehrheit aus Websites und Portalen, aber jene über Fördermöglichkeiten sind dort kaum sichtbar. Es bedarf einer Verbesserung der Informationsvermittlung und eine Erhöhung der Transparenz. 

Organisationen mit Diversitätsbezug wie z.B. migrantische Selbstorganisationen haben besondere Zugangsbarrieren zur Fördermittelvergabe, wie Einschränkungen im Bereich Kultur- und Sprachvermittlung oder dass ihnen Kompetenzen abgesprochen werden. Es braucht mehr Anerkennung von Organisationen, die Diversität selbst repräsentieren und längerfristige Kooperationsmöglichkeiten, um auch weniger etablierte zivilgesellschaftliche Organisationen zu erreichen. Öffentliche Förderung kann auch Anreize schaffen, verschiedenen Herausforderungen in der Gestaltung von Diversität zu begegnen. Die Diversität der Gesamtgesellschaft ist bisher nicht in der öffentlichen Förderung abgebildet und ressourcenintensive Antragsverfahren verschärfen diese Schieflage. Dagegenwirken könnten auf die Voraussetzungen der Organisationen angepasste Förderkriterien, sowie Unterstützung durch Beratung und Schulungen. 

Diversität als wichtiger Bestandteil einer Feministischen Außenpolitik

Mittlerorganisationen nehmen eine Vorreiterrolle im Bereich der diversitätssensiblen Projektentwicklung und der Kooperation mit feministischen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen ein. Dahingehend müssen sich die Organisationen der AKBP mit innovativen Ansätzen weiterentwickeln. 

Organisationen beschäftigen sich eher mit allgemein gefassten diversitätsbezogenen Themen wie „Integration und sozialer Zusammenhalt“ (22 %) und „Demokratie- und Vielfaltsgestaltung“ (15 %) als mit dimensionsspezifischen diversitätsbezogenen Themen wie „Antidiskriminierung und Rassismus“ (11 %) oder „Gender und Sexualität“ (6 %). Das Pie-Chart zeigt diese Prozentsätze an, die Quelle ist das Deutsche Zentrum für Integrations- und Medienforschung.
© Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), Grafik: ifa

In den Institutionen der AKBP ist Diversität eher schwach situiert. Die Diversitätsgestaltung ist somit auch hier ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess. Die meisten Organisationen haben in den letzten Jahren eine Diversitätsstrategie entwickelt, wobei als wichtigste Komponente die Geschlechtergleichstellung galt. Migrationsgeschichte, religiöse Zugehörigkeit oder sexuelle Orientierung werden deutlich weniger berücksichtigt, wie die Abbildung veranschaulicht. Diversitätsbeauftragte leisten sich nur die wenigsten. Es gibt dennoch Ansätze, die Diversität im Unternehmen formal zu stärken, z.B. durch Diversitätsmanagement-Konzepte oder Mindeststandards einer Diversitätsstrategie, die zusammen mit dem Auswärtigen Amt entwickelt und passgenau abgestimmt werden könnten. 

Ein Abbild der Gesamtgesellschaft?

Ein zentrales Problem ist die mangelnde Diversität in der Zusammensetzung des Personals. Personalstrukturen bilden bei Weitem nicht die Diversität in der Gesellschaft ab. Maßnahmen wie diversitätssensibles Recruiting oder die Förderung von Beschäftigtennetzwerken sind bekannt, werden aber nicht angegangen. Problematisch ist auch die fehlende Datengrundlage, denn Mittlerorganisationen führen häufig keine Statistik darüber, wie divers sie als Organisation sind. Solche Daten können eine wichtige Hilfestellung bei der Identifizierung von spezifischen Problemen sein und dementsprechend zur passgenauen Entwicklung von Maßnahmen helfen. 

Besondere Herausforderungen der Diversitätsförderung

Die AKBP kann marginalisierte Gruppen und zivilgesellschaftliche Akteur:innen, die sich für diese engagieren in einem repressiven Kontext nur limitiert unterstützen. Trotz dessen wird darüber nachgedacht, wie Projekte partizipativ und in Einbezug marginalisierter Gruppen entwickelt werden können. Die Überlegungen zur Förderung und Unterstützung sind jedoch oftmals nicht institutionsübergreifend, sondern auf einzelne Mitarbeiter:innen beschränkt und müssen erweitert werden. Helfen können dabei Reflexionsräume und Feedbackrunden. Dies in besonders in Hinblick auf die Schaffung von "sicheren Räumen" wichtig, um den zivilgesellschaftlichen Organisationen mehr Unterstützung gegen Anfeindungen zu bieten. 

Es muss auch für Beauftragte im Ausland einen Diskriminierungschutz geben, vor allem wenn die Länderstandards dies unterlaufen. Benötigt werden Schutzkonzepte die proaktiv gegen Diskriminierung jeglicher Art vorgehen. 

Ansätze und Erkenntnisse für eine diversitätssensible Förderung

Der Zugang zur Förderung findet vor allem über informelle Wege und Netzwerke statt. In der Themengebung ist Diversität meist gegeben, da für die AKBP Pluralismus und Dialog besonders wichtig sind. Viele Fördermöglichkeiten sind jedoch nicht öffentlich bekannt und die Netzwerke der Förderung bleiben konstant. Damit neue zivilgesellschaftliche Organisationen verstärkt einen Antrag auf Förderung stellen, muss es eine bessere Informationsverbreitung geben, durch Bekanntmachung und auch Übersetzungen in die relevanten Sprachen. 

Fördergeldgeber berücksichtigen Diversität als Kriterium für die Fördermittelvergabe selten und wenn, dann eher informell. Ob ein Antrag einer Organisation bewilligt wird, hängt in erster Linie von formellen Kriterien ab sowie der inhaltlichen und thematischen Passgenauigkeit mit festgelegten Förderzielen. Es sollten sowohl konkrete formelle als auch informelle Kriterien für das Vergabeverfahren entwickelt werden, die aktiv die Diversität fördern. Am besten geschieht dies mit Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft zusammen. Dabei muss Diversität multidimensional definiert werden, um möglichst viele Gruppen miteinzuschließen. 

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Einrichtung eines Diversitätsfonds. Häufig fehlen die Ressourcen, um diversitätssensible Programme durchzuführen. Sonderförderprogramme, die zusätzliche Unterstützung finanzieren würden, könnten die Lücke füllen und auch eine Diversitätspauschale in Projektfinanzplänen wäre möglich. 

Auf lange Sicht muss das Thema der diversitätssensiblen Förderpraxis regelmäßig untersucht werden, um Entwicklungen zu beobachten und diverse Stimmen und Perspektiven zu fördern. Denn diese braucht es hinsichtlich gegenwärtiger und zukünftiger globaler Herausforderungen und um einen pluralistischen Austausch zu ermöglichen. Wird Diversität berücksichtigt, wird Repräsentanz und Teilhabe für alle in einer vielfältigen Gesellschaft möglich gemacht. 

Dieser Bericht wurde vom ifa zusammengefasst und wurde am 11. September 2023 in voller Länge vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) veröffentlicht:

Zajak, Sabrina; Rutner, Maryam; Assad, Caroline; Aalders, Sophia; Nikolas, Ana-Maria; Seiler, Jessica (2023): Vielfalt in der Förderung: Diversität in den Förder- und Kooperationsstrukturen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. DeZIM Project Report 7, Berlin: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).

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