Installationsansicht Play by rules Kunstquartier Bethanien 2018, 5-Kanal-Video-Installation. © Timo Herbst & Marcus Nebe

Play by Rules

12. Aug 2022
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16. Sep 2022
Laboratory of Art and Form
286 -13 Komeyacho Kamigyo-ku
602 - 8034 Kyoto

Timo Herbst (in Zusammenarbeit mit Marcus Nebe) versetzt die Besucher ihrer Ausstellung mitten in Momente, in denen Menschen um die Darstellungen ringen, die ein politisches Ereignis letztlich prägen werden. Die visuell und emotional bewegenden Bilder von Teilnehmer:innen, die miteinander interagieren, das Schwenken von Fahnen, die Szenen der Gewalt: Solche Bilder bestimmen das öffentliche Narrativ darüber, wer wo war, warum sie taten, was sie taten, und gegen wen – und wer gewonnen haben könnte.

In der 5-Kanal-Videoinstallation "Play by Rules" sind jedoch nicht diese Narrative zu sehen, sondern die Motoren, die hinter der Produktion solcher Narrative stehen: die Bildproduzenten:innen mit ihren technischen Werkzeugen, die inmitten solcher Ereignisse stehen und den Kampf um die Schaffung dieser Bilder führen, während sie sich selbst und ihre eigenen Körper, Gesten und Aktivitäten nicht ins Rampenlicht stellen. Fernsehsender, Live-Reporter:innen, Blogger:innen, Aktivist:innen, Agitator:innen, Provokateur:innen und kritische Dokumentarist:innen kämpfen um die Durchsetzung ihrer jeweiligen Perspektive und um die Deutungshoheit. Medienkonzerne, öffentlich-rechtliche Sender, soziale Netzwerke und zahlreiche Interessengruppen und Einflussnehmer konkurrieren nicht nur um den Moment selbst, sondern auch um ein Stück Geschichte und die Art und Weise, wie dieser Moment in Ton und Bild festgehalten wird.

Dies ist die Bühne der Konflikte unserer Zeit, und mit ihrer Videoinstallation verorten Herbst und Nebe uns in dem turbulenten Moment, in dem die Bilder solcher Situationen entstehen, Bilder, aus denen die öffentliche Meinung produziert wird. In jüngster Zeit hat sich der Kampf um die Deutungshoheit während der Pandemie zunehmend als buchstäbliche Angriffe von Privatpersonen gegen Journalist:innen manifestiert, getarnt als Ansprüche auf freie Meinungsäußerung, die auf der Straße wie auch in privaten digitalen Medienräumen ausgeübt werden und als Rebellion gegen die öffentlichen Medien fungieren, die von einigen als vermeintlich manipulativ und propagandistisch wahrgenommen werden. Die persönliche Position innerhalb dieser Mediendynamik und Narrative wird seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine und all den darauf folgenden Protesten rund um den Globus ebenfalls bekämpft.

In "Play by Rules" scheint diese zeitgenössische Erfahrung durch und provoziert uns, über unsere persönliche Position innerhalb des Repräsentationsprozesses nachzudenken, der letztendlich die politischen Ereignisse unserer Zeit prägen wird. Dieses Thema wird in der Ausstellung durch Zeichnungen von Timo Herbst verstärkt, die sich mit der visuellen Geschichte des öffentlichen Dissenses und seiner (Selbst-)Inszenierung befassen, indem sie entweder mit spezifischen, individuellen Gesten wie einer mit der Hand ausgeführten Protestgeste arbeiten oder mit der Art und Weise, wie Menschenmengen in ihrer angespannten Gruppendynamik in der Geschichte referenziert wurden. Die Zeichnung Ephemera bezieht sich auf historische Bilder, die für einen einmaligen oder kurzfristigen Gebrauch bestimmt sind, wie z.B. Drucke von Tageszeitungen, Plakate oder Werbung.

Gemeinsam mit dem Historiker Duane Corpis recherchierte Herbst historische Bilder von Protesten und Ausnahmezuständen als Quellenmaterial, um eine ineinander verwobene Kette von Körpern zu zeichnen, die die Selbstinszenierung und Erinnerung an Dissens suchende Manifestationen der Demokratie im deutschsprachigen Raum vom 15. Jahrhundert bis heute visuell erforscht.

Text von Alexander Koch und Miki Shimokawa, kuratiert von Miki Shimokawa.

Diese Ausstellung wird durch das Programm Ausstellungsförderung unterstützt.

Geförderte Künstler: Timo Herbst

Impressionen

Ausstellungsförderung

Das Programm Ausstellungsförderung unterstützt zeitgenössische Künstler:innen dabei, Kunstprojekte im Ausland zu realisieren.

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Anna Stergel

Charlottenplatz 17
70173 Stuttgart

Anfahrtsweg