Andrea Acosta, "Assisted Forest", 2020, Fundstücke, Messingstangen und Klammern, Größe variabel

"Aufzeichnungen einer Seherin": Joseph Beuys im Dialog

Ausstellung ifa-Galerie Berlin, 30.04.2021 – 13.06.2021

Berlin, 27.04.2021 ­- Anlässlich seines 100. Geburtstags zeigt die ifa-Galerie Berlin Zeichnungen von Joseph Beuys aus dem ifa-Kunstbestand im Dialog mit Werken der Künstlerinnen Andrea Acosta, Anne Duk Hee Jordan und Sara Ouhaddou. Ihre Positionen vereint das Interesse an dem übersehenen, vergrabenen, tradierten, oftmals kollektiven Wissen. Gleicht die Prophezeiung einer Deutung, einer Erinnerung, einer Skizze oder einem schemenhaften Bild? Wovon berichtet sie? Eröffnet sie Denk- und Handlungsräume? Fragen wie diese bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung "Aufzeichnungen einer Seherin". Der Titel ist der gleichnamigen Zeichnung von Joseph Beuys aus dem Jahre 1958 entnommen. Ausgehend von der Beziehung zu gefundenen Materialien werden ökologische und ökonomische Fragestellungen beleuchtet. Mit humorvollen, sozialen und poetischen Gesten initiieren die Künstler:innen mitunter Prozesse, die nachhaltig in die Gesellschaft wirken. Die von Inka Gressel und Susanne Weiß kuratierte Ausstellung verbindet die Stimmen der vier Künstler:innen zu einem räumlichen und mentalen Kosmos. Sie berichten von den ästhetischen und sozialen Verschiebungen unserer Gegenwart, mit all den Potentialen und den sich daraus ergebenen Verhandlungen.
 
Andrea Acosta zeichnet im Raum mit gefundenen Naturgegenständen. Aus einem kleinen Detail, einer taktilen Erfahrung entstehen fragile Installationen, zu denen Zeichnungen und Fotografien genauso wie Skulpturen gehören. Gleich einer Feldforscherin sammelt sie Zweige, Blätter, Wurzeln und andere Naturstücke in urbanen Räumen und verbindet sie zu neuen Konstellation. In ihrer Installation "Assisted Forest" verleiht sie mithilfe von ‚Prothesen‘ abgebrochenen Ästen ein zweites Leben. Kann die Summe der Teile wieder ein Ganzes ergeben? Mit ihrem künstlerischen Handeln spinnt sie ein Netz aus technischen und organischen Elementen, das erkundet, was im Urbanen gegen-, neben- und miteinander möglich ist.
 
Joseph Beuys' zeichnerisches Werk spiegelt unmittelbar die Verbindung von Gedanken und Körper im Raum wider. Hier fand er ein Experimentierfeld für materielle und immaterielle Zusammenhänge, bildete seine plastischen Denkformen und seinen offenen Werkbegriff aus. Es entstanden Entwürfe voller Bewegung, ein Wiederholen, ein empathisches Sehen; der Kern für sein künstlerisches und politisches Handeln: "lch kann nur sagen, wenn ich diese vielen Zeichnungen nicht gemacht hätte, hätte ich auch die politische Arbeit nicht machen können." (Zitiert nach: Götz Adriani, "Über Joseph Beuys", Ausstellungskatalog des ifa, Joseph Beuys (Drawings – Objects – Prints), 2. Aufl., Stuttgart 2002). Der Einfluss von Beuys als Künstler, Erzähler, Lehrer und Handelnder ist nicht wegzudenken. Er stiftete an, bewegte, initiierte, beunruhigte, provozierte und transformierte, war konsequent.
Weitere Informationen zum Jubiläum: www.beuys2021.de
 
Anne Duk Hee Jordan begibt sich in den Dialog mit den Dingen: ob beseelt, belebt, bearbeitet oder bedrängt. Wie eine Tricksterin verhandelt sie Motive der Verwandlung und des Vergehens immersiv und schelmisch. In ihren Zeichnungen befreit sie Zeit und Raum von ihren statischen Komponenten und entwirft farbintensive Gegenerzählungen, die neue Perspektiven auf historische Mythen der Weltensammler bieten oder die ökologischen Auswirkungen im Meer und an Land zeigen. Wie die queeren und exotischen Meeresbewohnenden, die sich angesichts des globalen Klimawandels verändern und mutieren. Als Mechanikerin verwandelt sie Steine und Fossilien in Maschinen: Ihre kinetischen Skulpturen gleichen Modellen, die die Eigenschaften, Geschichte, Ökologie und das Leben von Materialien rhythmisch erklingen lassen.
 
Sara Ouhaddou überträgt übersehene kulturelle Realitäten und Wissensspeicher in neue Muster, Alphabete und Erzählungen. Für ihre Arbeit aus der Serie "Woven/Unwoven" verwendet sie aussortierte Kautschukplanen als Untergrund für neue Designs. Stickereien, die einmal edle Gewänder zierten, werden im kollektiven Schaffensprozess von jungen Frauen transformiert und in einen neuen Kreislauf eingespeist. 'Al Kalima' bedeutet 'Wörter' auf Arabisch: Die Serie von Zeichnungen sind einerseits Vorstudien für das vom Aussterben bedrohte Glasmacher-Handwerk in Marrakesch, andererseits erinnern sie an Kalligrafien, die in ihrer Abstraktion neue Sprachen und deren Universen öffnen.


Neuigkeiten aus der ifa-Galerie Berlin
Seit Mitte Februar leiten Inka Gressel und Susanne Weiß die ifa-Galerie Berlin. Gemeinsam vertreten sie Alya Sebti in ihrer Elternzeit. Die beiden verbindet seit 2015 die Zusammenarbeit an der ifa-Tourneeausstellung "Das Ereignis eines Fadens – Globale Erzählungen im Textilen". Als Auftakt ihrer Zusammenarbeit zeigen Gressel und Weiß Zeichnungen von Joseph Beuys aus dem ifa-Kunstbestand im Dialog mit Andrea Acosta, Anne Duk Hee Jordan und Sara Ouhaddou. Diese Re-Kontextualisierung des Kunstbestands knüpft an die Ausstellung von Inka Gressel "Time Goes By" mit Rebecca Horn und Antonia Paucar an. Im Mittelpunkt ihres kuratorischen Interesses stehen interdisziplinäre Prozesse und Vielstimmigkeit.


Weitere Informationen
Aufgrund des neuen Bundesinfektionsschutzgesetzes bleibt die Galerie vorerst geschlossen. Auf der Plattform untietotie.org sowie den Kanälen des ifa-Kunstprogramms auf Instagram und Facebook posten wir Neuigkeiten zur Ausstellung und hoffen, unsere Besuchenden bald wieder empfangen zu können.

Adresse und Öffnungszeiten
ifa-Galerie Berlin
Linienstraße 139/140
10115 Berlin
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 14.00 – 18.00
Montags und an Feiertagen geschlossen
Eintritt frei

Informationen zur Ausstellung
Ev Fischer, +49 (0)30 284491 57, ifa-galerie-berlin(at)ifa.de 

Pressekontakt
Guido Jansen-Recken, +49 (0)30 284491 19, presse(at)ifa.de
 

Über das ifa
Das ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) ist Deutschlands älteste Mittlerorganisation und feierte 2017 sein 100-jähriges Bestehen. Es engagiert sich weltweit für ein friedliches und bereicherndes Zusammenleben von Menschen und Kulturen. Das ifa fördert den Kunst- und Kulturaustausch in Ausstellungs-, Dialog- und Konferenzprogrammen und agiert als Kompetenzzentrum der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Es ist weltweit vernetzt und setzt auf langfristige, partnerschaftli-che Zusammenarbeit.

Das ifa wird gefördert vom Auswärtigen Amt, dem Land Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart. www.ifa.de