Die Unerschrockene

Pamela Capizzi setzt sich für Menschenrechte in Burundi ein. Mit der Organisation „Trial International“ will sie Präzedenzfälle zugunsten der Opfer von Folter und Willkür schaffen. Im kriegszerrütteten Burundi fällt das nicht leicht, seit 2016 ist die Juristin des Landes verwiesen. Doch sie bleibt optimistisch.

Eigentlich wollte Pamela Capizzi in den Nahen Osten und lernte vor einigen Jahren bereits Arabisch. Doch als die Italienerin nach einem Praktikum Koordinationsaufgaben bei der NGO Trial International Burundi übernehmen sollte, erschütterten sie die Menschenrechtsverletzungen in dem afrikanischen Staat. Dank der Förderung des Förderprogramms zivik hat Trial International Anwält:innen gezielt auf Prozesse vorbereitet und sie im Mentoring begleitet, damit sie immer häufiger die Interessen ihrer Mandant:innen durchsetzen können.

Burundi mit seinen geschätzt 11,5 Millionen Einwohner:innen plagen seit Langem Unruhen. Es zählt mit jährlich 270 US-Dollar BIP pro Kopf zu den ärmsten Ländern weltweit. Insbesondere die mehrheitliche Hutu-Bevölkerung und die Tutsi-Minderheit bekämpfen sich immer wieder. 1966 übernahm das Militär die Macht. 1972 ermordeten staatliche Truppen mehr als 100 000 Menschen bei einem Massaker, nachdem die Hutu rebelliert hatten. „Seit 2015 herrscht permanent Krise“, sagt Capizzi. Im Dezember jenes Jahres kehrte sie nur ganz kurz vor schweren Ausschreitungen nach Europa zurück. Einen Tag später und sie hätte das Land erst einmal nicht verlassen können. Das hat Capizzi jedoch nicht entmutigt.

Wenige Monate vorher, im April 2015, hatte der damalige Präsident Pierre Nkurunziza angekündigt, ein drittes Mal zu kandidieren. Das widersprach der Verfassung, die Bevölkerung protestierte, ein Staatsstreich scheiterte. Hunderttausende Menschen flohen seitdem aus dem Land. Die Geflüchteten suchten Schutz in anderen Ländern der Region wie der Demokratischen Republik Kongo, Uganda, Ruanda und Tansania. Seitdem ist Burundi nicht mehr zur Ruhe gekommen. Im Jahresbericht 2020 beklagt Trial International eine „Kultur der Straflosigkeit“.

©Magali Giradin

Die meisten Fälle landen gar nicht erst vor Gericht

Doch Trial International lässt sich davon nicht beirren, bleibt hartnäckig und gewinnt Prozesse.

Im Dezember 2020 verurteilte ein Gericht in der ehemaligen Hauptstadt Bujumbura den Vergewaltiger einer Minderjährigen zu lebenslänglicher Haft, das Opfer bekam eine Entschädigung von umgerechnet etwa 500 Euro. In der Regel landen diese Fälle gar nicht erst vor Burundis Gerichten. 2016 und 2017 hatte Trial International den Opferanwalt geschult.

Die weltweit tätige NGO hat mit insgesamt 35 Angestellten schon mehr als 3100 Opfer vertreten und 1500 Anwält:innen trainiert. In Burundi setzt die NGO auf drei Säulen, um die Justiz des Landes wiederaufzubauen: Sie arbeiten der Untersuchung des Internationalen Strafgerichtshofs zu, die seit 2017 andauert. Zweitens vertreten sie Opfer vor Gericht und versuchen Präzedenzfälle zu schaffen, die möglichst viele Opfer repräsentieren. Schließlich schulen sie Menschenrechtsanwält:innen vor Ort.

Vor einigen Jahren reiste Pamela Capizzi noch selbst nach Burundi. In der Regel blieb sie zwei Wochen vor Ort für Schulungen. „Der Kontrast zwischen extremer Armut und Reichtum hat mich am meisten erschüttert“, sagt die Juristin. Sie selbst hat mehrere Trainings zu Krisensituationen und vor allem zu Prävention absolviert. Dabei geht es nicht um Waffentraining wie im Actionfilm. Wer sich in Krisenregionen wie Burundi aufhält, muss deeskalieren, staatlichen Anweisungen Folge leisten und idealerweise gar nicht erst in gefährliche Situationen geraten. Auch digitale Sicherheit und Verschlüsselung spielen für Jurist:innen wie Capizzi eine immer größere Rolle.

Jeder Fall, in dem sich die Gerechtigkeit durchsetzt, ist ein kleiner Sieg

©Trial International

Als für das Land Zuständige konnte die Italienerin jedoch nur im ersten Jahr nach Burundi einreisen. 2016 verschärfte sich die Lage: BBC- und Le-Monde-Journalist:innen erhielten keine Visa mehr, das Land zog sich aus dem Internationalen Strafgerichtshof zurück und auch Pamela Capizzis Visum wurde im Oktober 2016 nicht mehr verlängert. Seitdem arbeitet sie etwa von Ghana oder der Demokratischen Republik Kongo aus. Die Reisen entsprechen Capizzis Naturell, sie hat sich die Neugier auf Menschen immer bewahrt.

Trial International arbeitet an zwölf Prozessen vor der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte gegen Burundi, 20 weitere liegen VN-Komitees und dem Internationalen Strafgerichtshof vor. Trial International kann mit seinen begrenzten Ressourcen nur ausgewählte Fälle behandeln. Unter die internationale Strafgerichtsbarkeit fallen außerdem nur Verbrechen, an denen staatliche Akteure beteiligt sind – Folter oder sexualisierte Gewalt ohne staatliche Beteiligung gehören nicht dazu, hier sind Capizzi und ihren Mitstreiter:innen die Hände gebunden.

Die Justiz in Burundi ist nicht selten unterausgestattet. Mal fehlt schlichtweg das Benzin, damit Richter:innen zu einem entfernten Gefängnis fahren können. An anderer Stelle werden Menschen in Untersuchungshaft vergessen: Pamela Capizzi schildert einen Fall, in dem ein Angeklagter seit Januar 2016 auf einen fairen Prozess wartet, angeblich fehlen Dokumente.

Aber sie bleibt beharrlich. Früh hat sie sich für die Belange der Schwächsten eingesetzt. Schon als sie Jura in Mailand und Genf studierte, arbeitete sie beim Internationalen Roten Kreuz und beim Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen in Genf.

Dadurch spüre ich die Früchte meiner Arbeit viel deutlicher.

Die Praktika hätten Capizzi reich an Erfahrung gemacht, aber: „Die Vereinten Nationen sind eine Rieseninstitution. Dort hatte ich nicht persönlich mit Opfern zu tun, es gibt lange Befehlsketten.“ Vor Ort die Menschen zu treffen und zu schulen liegt ihr mehr. „Dadurch spüre ich die Früchte meiner Arbeit viel deutlicher.“ Die Juristin spricht fließend Französisch, Englisch, Spanisch und ihre Muttersprache Italienisch. Auf absehbare Zeit setzt sie sich weiter für Burundi ein. Eines Tages würde sie gern im Nahen Osten für Gerechtigkeit streiten. Zuvor müsste sie aber noch einmal Arabisch pauken.

Sie gibt sich keinen Illusionen hin, Burundi bleibe vorerst ein Krisenstaat. „Umso wichtiger ist es, eine Kultur der Menschenrechte und des internationalen Gesetzes im Land zu etablieren. Die internationale Gemeinschaft muss sich weiter für die Menschen einsetzen“, sagt Capizzi. Jeder gewonnene Fall ist für sie ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Schließlich bezeichnet sie sich auch als Optimistin, ansonsten könnte sie ihre Aufgabe nicht übernehmen, wie sie selbst sagt.

©Magali Giradin

Über den Autor

Nathanael Häfner arbeitet als Finanzredakteur bei Zeit Online. Er hat Sozialwissenschaften studiert, die Kölner Journalistenschule besucht und frei u.a. für die Süddeutsche Zeitung, taz und Spiegel Online geschrieben.

Mehr über TRIAL International

 

Über das Förderprogramm zivik

Das Förderprogramm zivik unterstützt weltweit zivile Akteure dabei, Krisen vorzubeugen, Konflikte zu überwinden und friedliche gesellschaftliche und politische Systeme zu schaffen sowie zu stabilisieren. Mit ihrem Engagement ergänzen die Nichtregierungsorganisationen das Handeln staatlicher Akteure um wichtige Perspektiven und Akzente.

Mehr erfahren