Die außergewöhnliche Lebensgeschichte des letzten "Hetmans" der Ukraine machte den Autor und Regisseur Ihor Chayka aus Kyiv neugierig auf den kleinen Kurort Oberstdorf im Allgäu. Der Krieg zwang ihn, 2022 seine Heimat Ukraine zu verlassen und führte ihn erneut dorthin. Nun wird er selbst in die Geschichte Baden-Württembergs eingehen – mit seinem Theaterstück "Between", das im Januar 2023 in Ravensburg auf Ukrainisch uraufgeführt wurde.
Als Ihor Chayka 2021 das Theaterstück "Between" schrieb, lag gerade ein Jahr Pandemie hinter ihm und der Welt. Ein Jahr, in dem er gezwungenermaßen etwas mehr Zeit hatte als sonst in seinem turbulenten Leben als Drehbuchautor und Filmemacher. Zeit zum Beispiel, um Werke seines guten Bekannten, des in Kyiv lebenden Journalisten und Schriftstellers Sergei Berezhniy, zu lesen. Oder die Geschichten von Stas Volsky aus Israel, über die er auf Facebook "gestolpert" war, und von zwei anderen Autoren, die ihm "das Internet geschenkt hatte", wie er sagt: Vladislav Skripach aus Zaporozhye und Vasily Vladimirsky aus St. Petersburg. Einige außergewöhnliche Ereignisse, die diese vier Männer in ihren Werken beschreiben, verknüpfte Chayka in dem Theaterstück "Between", das er wie folgt beschreibt:
"Es geht darum, dass jeder Mensch selbst entscheidet, ob er auf der Seite des Guten oder des Bösen steht, ob er das Licht wählt oder die Dunkelheit."
Damals erfuhr er, dass sich das Grab von Pavlo Skoropadsky auf dem Friedhof in Oberstdorf befindet. Skoropadsky entstammte einer kosakischen Adelsfamilie und wurde am Ende des Ersten Weltkriegs vom Deutschen Kaiserreich als Oberhaupt des Ukrainischen Staates, als ein "Hetmann", eingesetzt. Nach der Niederlage des Kaiserreichs lebte Skoropadsky mit seiner Familie von 1918 und bis zu seinem Lebensende nach Verwundung durch einen Bombenangriff 1945 in Deutschland.
Gemeinsam mit Albert Bauer, dem Leiter des Ravensburger Theaters, entscheidet Chayka, das Stück dieses Mal in ukrainischer Sprache auf die Bühne zu bringen. Und dann geht alles sehr schnell: Bereits am 12. Januar 2023 findet die erste von zwei Aufführungen statt. Der Saal des Theaters ist komplett gefüllt. Während der Vorführung lachen die Zuschauer, sie weinen auch und fühlen mit den Helden des Stücks mit, ohne zu ahnen, welch herausfordernde Zeit hinter den Schauspielern, die aus unterschiedlichen Städten in der Ukraine stammen, liegt. Denn zum gemeinsamen Proben hatten sie nur eine Woche Zeit.
"Ich weiß nicht, ob so etwas in das Buch der Weltrekorde aufgenommen werden kann: Ein Theaterstück, das innerhalb von einer Woche einstudiert wurde", staunt Chayka selbst.
Vor allem, weil das Stück aufwändige Video- und Tonsequenzen sowie Tänze enthält. Es ist dem Ensemble aber gelungen, den Saal an beiden Abenden bis auf den letzten Platz zu füllen. "Es war eine unglaubliche Atmosphäre, unser Stück wurde mit viel Wärme angenommen. Die Leistung der Schauspieler war einfach überwältigend", sagt der Regisseur. Die Premiere in Ravensburg habe ihm gezeigt, dass es für seine Landleute eine Art Therapie und Entspannung sein kann, ein Theaterstück auf Ukrainisch zu sehen. Doch es sei ihm auch klar, dass es aus finanziellen Gründen sehr schwierig sein wird, es auch in anderen Städten zu zeigen.
Trotz des momentanen Erfolgs lasten die Sorgen um Freunde und Kollegen in der Ukraine schwer auf Chayka. In die Zukunft zu blicken, fällt ihm schwer: "Ich bin aber bereit, hier in Deutschland mit neuen Ideen und Projekten weiterzuarbeiten. Das Land Baden-Württemberg hat mich mit seiner Offenheit und Bereitschaft, kreative Initiativen zu unterstützen, sehr bewegt."