Berlin, 19.08.2019 – In technischen Zeichnungen ist ein „station point“ der Fluchtpunkt, von dem aus eine Perspektive entworfen wird. Alles, was sich hinter ihm oder in seinem toten Winkel befindet, fehlt in der Zeichnung. Innabs "Station Point" untersucht die räumliche Repräsentation als Möglichkeit über die Verflechtungen von Architektur und Macht nachzudenken. Die Ausstellung erstreckt sich über drei Kapitel, die den Galerieraum strukturieren.
Das erste Kapitel beginnt mit einem Brief von Saba Innab an Malewitsch. Darin beleuchtet sie die toten Winkel der europäischen Avantgarde und konstatiert die Unmöglichkeit der Liebe zwischen einer palästinensischen Architektin und den modernen Kunstbewegungen, die ihre Ausbildung prägten.
Im zweiten Kapitel verfolgt Innab von den Idealstädten der Renaissance bis hin zu modernen Kolonialsiedlungen die architektonische Herrschaft anhand der Persistenz von Zentralperspektive als Modus der visuellen Kontrolle, die fortwährend zu räumlicher und rechtlicher Marginalisierung führte.
Gibt es einen Ausweg aus diesem Rahmen? Das dritte Kapitel versucht, eine Antwort zu geben. Eine Reihe von Säulen und Trägern läuft auf einen Fluchtpunkt zu. An ihrer Basis befindet sich eine Ruine aus Claustra-Blöcken, geschnitten und angeordnet in einer Sammlung von unterirdischen Tunneln und invertierten Kuppeln. Beim Betrachten dieser Landschaft wird der Blick systematisch unterbrochen. Die Künstlerin verwandelt Verletzlichkeit in einen Vorschlag für eine alternative Politik des Raumes. In einer unbewohnbaren Welt ruft sie zu einem anderen Wohnen auf.
Saba Innab wurde 1980 in Kuwait geboren und ist als Architektin, Stadtforscherin und Künstlerin in Amman und Beirut tätig. Anhand von Kartierung, Modellbau, Design und Zeichnungen untersucht sie in ihrer Arbeit die Schwebezustände zwischen Flüchtigkeit und Dauerhaftigkeit und beschäftigt sich mit verschiedenen Vorstellungen von Wohnen und Bauen, sowie deren politischen, räumlichen und poetischen Implikationen in Sprache und Architektur.
Omar Berrada wurde 1978 in Marokko geboren und ist Schriftsteller und Kurator. Er ist Direktor des Dar al-Ma'mûn, einer Bibliothek und Künstlerresidenz in Marrakesch und lebt derzeit in New York. Dort unterrichtet er an der Cooper Union, an der er die IDS Lecture Series mitorganisiert.
Reema Salha Fadda ist Schriftstellerin, Herausgeberin und Forscherin mit Schwerpunkt auf zeitgenössischen Kunstpraktiken aus dem Nahen Osten. Sie absolviert zur Zeit ihren Ph.D. an der Universität Oxford und arbeitet an der politischen Ökonomie palästinensischer Kunstproduktion. Ihre Texte wurden u.a. von Sternberg Press, das TANK-Magazin, Frieze, Art Papers, Ocula, The Institute for Palestine Studies und Ibraaz, an dem sie als Herausgeberin von Rezensionen tätig war, veröffentlicht. Neben einer Vorlesungsreihe über arabische visuelle Kulturen für die Universität Oxford und Darat al Funun hat sie kulturelle Veranstaltungsprogramme in Palästina, Kairo und London realisiert.