Igor Levit erhält für sein künstlerisches und gesellschaftliches Engagement den "ifa-Preis für den Dialog der Kulturen" 2021

Aus Anlass der Preisverleihung fand erstmalig ein Kolloquium mit Expert:innen aus Kunst und Wissenschaft zum Verhältnis von Kultur und Freiheit statt

Berlin, 14.09.2021 – Der international gefeierte Pianist und Hochschulprofessor Igor Levit wurde mit dem "ifa-Preis für den Dialog der Kulturen" des ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am heutigen Dienstagabend im Allianz Forum am Pariser Platz statt.

Die Laudatio auf Igor Levit hielt die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Claudia Roth. In ihrer Rede hob Claudia Roth das gesellschaftliche Wirken des Preisträgers hervor: 
"Igor Levit ist Citoyen und Bürger, glühender Europäer und Demokrat..., zutiefst politisch und meinungsstark, ein begnadeter Musiker, natürlich – vor allem aber ein Künstler, der durchaus die Möglichkeit hätte, brav und still zu Hofe zu spielen, dem Feuilleton, um jeden Preis zu gefallen, aber, zu unser aller Glück, weder anders kann noch will, als sich immer wieder einzumischen, zu widersprechen und die Stimme auch für diejenigen zu erheben, die überhört zu werden drohen."

Der Präsident des ifa, Prof. Ulrich Raulff, ergänzt: "Igor Levit ist ein überaus passender ifa-Preisträger, verbindet er doch ähnlich wie das ifa Kunst mit gesellschaftlichem Engagement, Kultur mit politischer Haltung. Seine Musik wird weltweit gehört, seine Stimme aber auch. Ich gratuliere Igor Levit zu seinem Preis, aber noch mehr dazu, dass es ihm immer wieder gelingt, den Mut und die große Kraft aufzubringen, die öffentliche Einmischung heute mit sich bringt."

Igor Levit warb in seiner Dankesrede für den Schutz von Kultur und kulturellen Austausch:

Kulturelle Verständigung ist wunderschön, sie ist wichtig, sie ist essentiell – selbstverständlich ist sie nicht. Und sie ist fragil, es gilt, sie zu verteidigen. Leider, aber wir müssen uns immer darüber klar sein: die Feinde dieser Verständigung, sie sind da, sie sind stark, sie werden stärker, sie tragen weder Masken noch Umhänge.

Das Preisgeld i.H.v. 10.000 Euro spendete Igor Levit deshalb auch an die Beratungsstelle HateAid, die Opfer von digitaler Gewalt unterstützt. Stifterin des Preisgeldes in Höhe von 10.000 Euro ist die BAO Stiftung von Prof. Dr. Brigitte Oetker und Dr. Arend Oetker.

Seit 2009 zeichnet das ifa unter der Schirmherrschaft des Bundesministers des Auswärtigen Persönlichkeiten und Institutionen aus, die mit ihrem sozialen, gesellschaftspolitischen oder künstlerischen Engagement Herausragendes für den Dialog der Kulturen leisten. Die bis 2019 als "Theodor-Wanner-Preis" vergebene Auszeichnung heißt nun "ifa-Preis für den Dialog der Kulturen". Die neue Bezeichnung soll als Teil der Weiterentwicklung des Preises hinsichtlich seiner öffentlichen Wirkung und eines modernen Formats auch die direkte Verbindung zum ifa und seinen Werten und Zielen verdeutlichen. 
 
Preisträgerinnen und Preisträger der vergangenen Jahre waren u.a. Federica Mogherini, ehemalige Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Daniel Barenboim, Generalmusikdirektor der Staatsoper Berlin, Carla Del Ponte, ehemalige Chefanklägerin der Internationalen Strafgerichtshöfe in Den Haag, Jacques Delors, ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission, der Theologe Ernesto Cardenal, die Künstlerin Yoko Ono, Human Rights Watch und Königin Silvia von Schweden.

 

Kurzkolloquium "Kultur + Freiheit"

Ebenfalls neu ist ein der Preisverleihung vorgeschaltetes Kolloquium, bei dem unter dem Titel "Kultur + Freiheit" Expert:innen zukunftsrelevante Themen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik diskutierten.

Nach einem Impulsvortrag von Roland Bernecker zum ersten Panel 'Freiheit unter Beschuss' formulierten die Kulturwissenschaftlerin Marie Rosenkranz und der Journalist Can Dündar ihre Thesen. Marie Rosenkranz zog eine Parallele zwischen Freiheit und der EU: "ähnlich wie die Freiheit, wird auch die Bedeutung der EU erst spürbar, wenn sie erodiert." Und Can Dündar kommt nach der Schilderung seiner persönlichen Erfahrungen zu dem Schluss, dass Kultur allein nicht ausreiche, um Freiheit und Demokratie zu schützen. Freie Presse, unabhängige Justiz, Gewaltenteilung, eine funktionierende Zivilgesellschaft brauche es zusätzlich. Und freie Gesellschaften würden nicht durch autoritäre Politiker gefährdet, sondern eher durch Angst, die sie in die Gesellschaft pflanzten.

In einem zweiten Panel erörterte Dr. Tobias Knoblich, Kulturwissenschaftler, Mitglied im Kulturausschuss des Deutschen Städtetages und Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, gemeinsam mit Julia Grosse, Herausgeberin des Kunstmagazins Contemporary And das Thema 'Kunst der Freiheit'. Julia Grosse berichtete aus ihrer Arbeit mit afrikanischen Künstler:innen in autoritären Staaten: "Kunst und auch das Schreiben über Kunst ist eine Form der Macht. Sie kann für Regierende zur Bedrohung werden". Tobias Knoblich betonte, dass für den Kulturbereich Freiheit bedeute, Spielräume zu erschließen, um in ihnen Demokratie immer wieder neu einzuüben.

Im abschließenden dritten Panel 'Laboratorien der Subjektivität' untersuchten Prof. Dr. Bernd Scherer, Intendant des Hauses der Kulturen der Welt, sowie Annemie Vanackere, Intendantin des Berliner Theater Hebbel am Ufer, Subjektivität als Gradmesser gesellschaftlicher Freiheit. Bernd Scherer rief dabei zur Einheit der Kunstschaffenden auf: "Bei allen Angriffen auf die Freiheit ist es notwendig, Solidarität zwischen Künstler:innen und Kunstinstitutionen herzustellen. Solidargemeinschaften verhindern die Partikularisierung der Akteure. Die Institutionen müssen dabei zunehmend eine Mittleraufgabe zur Gesellschaft und zu Medien oder Politik einnehmen."

Annemie Vanackere verband ihren Vortrag mit einem Wunsch: "Wir haben einerseits die Künstler:innen, denen wir die Räume bieten, aber auch die Leute, die zu uns kommen, und wir wünschen uns, dass auch sie dies nutzen, um ihre Subjektivität zu entfalten. Nach wie vor fehlt zu vielen Menschen der Zugang zur Kultur. Darüber müssen wir mehr nachdenken."

Zum Mittschnitt des Kolloquiums

Die Publikation "Kultur und Freiheit" erschien im Steidl Verlag.

ifa-Preis 2021

 

Über das ifa
Das ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) ist Deutschlands älteste Mittlerorganisation. Es engagiert sich weltweit für ein friedliches und bereicherndes Zusammenleben von Menschen und Kulturen. Das ifa fördert den Kunst- und Kulturaustausch in Ausstellungs-, Dialog- und Konferenzprogrammen und agiert als Kompetenzzentrum der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Das ifa wird gefördert vom Auswärtigen Amt, dem Land Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart. www.ifa.de 


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