Vorstellung der Studie und Diskussion (hybrid)
am 4. November 2025, 18:30 – 20:30 Uhr
Hertie School Berlin, Henrik Enderlein Forum, Friedrichstr. 180, 10117 Berlin
Mit Sudha David-Wilp (Vizepräsidentin für Außenbeziehungen und Senior Fellow, German Marshall Fund), Marija Golubeva (Henrik-Enderlein-Fellow, Hertie School), Andrew Manning (Direktor, EUNIC) und Gitte Zschoch (Generalsekretärin, ifa)
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Europa muss auf wachsenden neuen Nationalismus reagieren
In der aktuellen Ausgabe des External Cultural Policy (ECP)-Monitors des ifa – Institut für Auslandsbeziehungen "Domination Without Hegemony? The Emerging Contest to Fill the US' Soft Power Vacuum", argumentieren die Autoren Helmut K. Anheier (Professor für Soziologie, Hertie School) und Edward L. Knudsen (Hertie School), dass der aktuelle Kollaps der US-Soft-Power-Politik auch eine Chance für Europa bedeutet, dieses Vakuum zu füllen.
"Wir erleben eine Weltordnung der Herrschaft ohne Hegemonie", erklärt Helmut Anheier, "Europa sollte nicht einfach die Lücken füllen, die die USA hinterlassen. Stattdessen müssen wir eine eigenständige, inklusive Form des Multilateralismus entwickeln, die unsere Zukunft gestaltet." Edward Knudsen ergänzt: "Europa darf seine Auswärtige Kulturpolitik nicht zum Instrument wirtschaftlicher Eigeninteressen oder politischer Botschaften machen. Sie ist eine Investition in Glaubwürdigkeit, Kooperation und Vertrauen."
"Die Studie zeigt, dass die Arbeit der Mittlerorganisationen eine zentrale Bedeutung für Europas und Deutschlands Rolle in der Welt hat und kann Akteure der Außenpolitik und Institutionen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik dabei unterstützen, ihre Strategien in Antwort auf die neuen Gegebenheiten auszurichten. Es gilt, langfristige, auf gemeinsamen Werten basierende Partnerschaften aufzubauen oder zu vertiefen, Programme weiterhin auf die Bedarfe unserer Partnerinnen und Partner vor Ort auszurichten und die europäische Kooperation noch stärker strukturell zu verankern. Die Freiheit in Kunst und Kultur, Wissenschaft und Medien sind wichtige Werte, die in diesem Zuge eine große Attraktivität entfalten können", so Gitte Zschoch, Generalsekretärin des ifa, anlässlich des Erscheinens.
Auswärtige Kulturpolitik muss unabhängig bleiben von wirtschaftlicher und militärischer Macht
Laut den Autoren erlebe die Staatengemeinschaft aktuell die Renaissance einer wirtschaftlich und militärisch geleiteten harten Interessenpolitik. Der Rückzug der USA aus multilateralen Institutionen und ihr Abbau klassischer Instrumente der Soft Power schaffe ein Machtvakuum, das autoritäre Staaten wie China, Russland und die Golfmonarchien zu füllen versuchten – bislang jedoch ohne hegemonialen Erfolg, so die Autoren. Dadurch entstehe ein fluides internationales Umfeld, in dem Legitimität und Vertrauen neu ausgehandelt werden müssten – und genau hier stehe Europa im Zentrum.
Für Deutschland sei die Lage besonders ambivalent. Während Berlin in der Sicherheitspolitik aufrüstet, steht die Auswärtige Kulturpolitik unter Spardruck. Deutschland war lange Zeit ein Symbol für Stabilität und Multilateralismus – nun drohe es, diesen Vorteil zu verspielen, warnen die Autoren. Der Bericht hebt hervor, dass Budgetkürzungen, innenpolitische Polarisierung und die Stärkung der extremen Rechten die Glaubwürdigkeit der Außenpolitik gefährden.
Deutschland könne eine Führungsrolle übernehmen, indem es Kultur, Bildung und Wissenschaft als langfristige Investition in Vertrauen und Dialog begreife. Dazu gehöre laut den Autoren auch der Schutz vor Instrumentalisierung. Nur wenn Träger der Auswärtigen Kulturpolitik wie das ifa, das Goethe-Institut oder der DAAD vor parteipolitischer Einflussnahme geschützt werden, lasse sich Außenpolitik langfristig und glaubwürdig umsetzen.
Europa muss eigene Vision entwickeln
Dennoch biete die Krise auch Chancen: Die Studie argumentiert, dass Europa eine neue, inklusive Form des Multilateralismus gemeinsam mit Partnern weltweit entwickeln müsse. Zentral sei dabei, militärische, wirtschaftliche und kulturelle Macht in ein neues Gleichgewicht zu bringen. Nur durch eine Vertiefung des Binnenmarkts und den Aufbau gemeinsamer Verteidigungsstrukturen könne die EU ihre Soft Power langfristig sichern. Darin sehen die Autoren die eigentliche Herausforderung: nicht in der entstandenen Lücke, sondern in der derzeit mangelnden Fähigkeit Europas, diese eigenständig und nachdrücklich zu füllen.
Die Studie ist hier kostenlos abrufbar.
Das ifa – Institut für Auslandsbeziehungen setzt sich gemeinsam mit Partnern weltweit ein für die Freiheit in Kunst, Forschung und Zivilgesellschaft. Es bietet forschungsbasiertes Wissen an der Schnittstelle von Kultur und Außenpolitik und diskutiert internationale Kulturbeziehungen vor dem Hintergrund des weltweiten Strukturwandels. Ziel ist es, Außenkulturpolitik wissenschaftlich zu begleiten und neue Konzepte zwischen Kultur, Politik und Medien zu entwickeln. Das ifa wird gefördert vom Auswärtigen Amt, dem Land Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart.
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Seit über 20 Jahren lehrt, forscht und kommuniziert die Hertie School im Herzen Berlins zu Fragen der Politikgestaltung und guter Regierungsführung. Die Universität bietet Masterstudiengänge, Doktorandenprogramme und maßgeschneiderte Trainings für Führungskräfte des öffentlichen Sektors an. Unter dem Leitgedanken "Understand today. Shape tomorrow." forschen rund 150 Wissenschaftler:innen an der Hertie School. Markenzeichen der Hochschule ist die praxisnahe Lehre und internationale Orientierung. Außerdem verstärken sechs Kompetenzzentren ihre Expertise zu Nachhaltigkeit, Grundrechten, Digital-, Sicherheits- und Europapolitik. Die Hertie School wurde 2004 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird seither maßgeblich von ihr getragen. Sie ist staatlich anerkannt und vom Wissenschaftsrat akkreditiert.
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