Gruppenbild mit Jugendlichen

Stiftung zur Förderung und Entwicklung deutsch-russischer Beziehungen "Deutsch-russisches Begegnungszentrum"

Sankt Petersburg / Санкт-Петербург (Russland): Mehr als deutsch-russische Verständigung

Das Team im "Deutsch-Russischen Begegnungszentrum" macht sich, wie es im Namen anklingt, für die deutsch-russische Verständigung mit mannigfaltigen Projekten stark. Doch auch die Geschichte und Kultur der Deutschen Minderheit spielt eine wichtige Rolle, und das schon seit der Gründung 1993. Schließlich hatten einst die Petersburger Deutschen einen großen Einfluss in den Bereichen Bildung und Kultur, aber auch in der Industrie und sie zeigten sich wohltätig, wovon die gesamte Gesellschaft profitierte.

In einer sogenannten Kompaktsiedlung unweit von Sankt Petersburg leben heute rund fünfzig russlanddeutsche Familien, circa 4.000 Deutsche in Sankt Petersburg selbst. Deutsch sprechen die wenigsten. Arina Nemkowa, Leiterin des "Deutsch-Russischen Begegnungszentrums", befürchtet, dass mit der alten Generation auch die deutsche Sprache verschwindet.

Über die Sprache zum Ich

50.000 Russlanddeutsche gibt es noch vor der Revolution 1917 in Sankt Petersburg, der zweitgrößten Stadt des Landes. Als Stalin an die Macht kommt, will er alles Deutsche ausradieren. Es folgen Deportationen, die deutsche Sprache wird verboten und geht nun allmählich verloren.

Das "Deutsch-Russische Begegnungszentrum" will diese Entwicklung aufhalten und bietet deshalb Deutschkurse an, für russlanddeutsche Senioren sind die sogar kostenlos. Dahinter steht noch eine andere Idee: "Weil die Deutschen in Sankt Petersburg so assimiliert sind, dass sie nahezu unsichtbar sind, wissen viele gar nichts von ihren deutschen Wurzeln. Die Deutschkurse können ein erster Schritt sein, sie zu entdecken", sagt Nemkowa.

Identität stiften – das ist auch Ziel des zum Begegnungszentrum gehörenden Jugendclubs. Nach langer Pandemie-Pause finden hier wieder die ersten Treffen statt. Mit einem Workshop zum Thema "Jugend in Deutschland" hat Judith Heckenthaler, seit September 2020 die erste ifa-Entsandte beim "Deutsch-Russischen Begegnungszentrum", einen kreativen Impuls für den Neustart gesetzt.

Jetzt ist möglich, was vorher undenkbar war

Dass sie selbst aufgrund von Corona derzeit kein Visum bekommt und ihre Veranstaltungen aus dem über 2.000 Kilometer entfernten Bad Berleburg bei Siegen plant und durchführt, ist eine besondere Herausforderung. Doch viele hat die Pandemie wohl eines gelehrt: So manches ist mögliches, was vorher undenkbar war. So wie Judith Heckenthalers Online-Bildungs-und-Kultur-Projekte, darunter die Filmvorführung von "Perspektive deutsche Minderheit". Die Produktion im Auftrag des ifa stellt deutsche Minderheiten aus unterschiedlichen Länden vor, eine anschließende Podiumsdiskussion hat die Perspektive um die Länder Russland und Kasachstan erweitert. Mehr als 100 Teilnehmer waren online dabei.

Die Gastinstitution zeigt sich zufrieden. "Judith ist für uns eine große Unterstützung, selbst aus der Ferne", resümiert Arina Nemkowa. Seit vielen Jahren hat sie die Idee, ein Museum der Petersburger Deutschen Minderheit zu schaffen. Die Umsetzung wurde immer wieder aufgeschoben. Nun hat sie gemeinsam mit Judith Heckenthaler den Plan konkretisiert. Für das Jahr 2023 ist bereits die Eröffnung geplant.

Während in Sankt Petersburg das soziale Leben wieder beginnt, bleibt für Judith Heckenthaler derzeit nur der Online-Kontakt. Die Ausreise ist ungewiss, doch schon jetzt fiebert die 23-Jährige dem Tag entgegen, an dem ihre Entsendung endlich richtig startet.

Der Text entstand im März 2021.


Über das Entsendeprogramm

Das Entsendeprogramm bietet Arbeitsaufenthalte in Organisationen deutscher Minderheiten im östlichen Europa oder in einem Staat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Die Entsandten arbeiten als Kulturmanagerinnen und -manager oder Redakteurinnen und Redakteure in ausgewählten Projekten und unterstützen die Einrichtungen mit ihrem Knowhow.

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