Gruppenbild mit Jugendlichen vom Theaterworkshop im Lenau Haus

Kulturverein Nikolaus Lenau

Fünfkirchen / Pécs (Ungarn): Brücken nach innen und außen

Fünfkirchen/Pécs ist eine der ältesten Städte Ungarns und ein wichtiges Zentrum ungarndeutscher Kultur. Hier wurde bereits 1985 der Kulturverein Nikolaus Lenau gegründet, der es sich zur Aufgabe machte, die Kultur der im Land lebenden deutschen Minderheit der Mehrheitsgesellschaft vorzustellen und sie für die kommenden Generationen zu erhalten. Diesem Ziel ist der Verein bis heute treu geblieben.

Die Deutschen stellen in Ungarn nach den Roma die größte Minderheit, über 200.000 Menschen haben hier deutsche Wurzeln. Sie leben vor allem im Westen des Landes und in der Hauptstadtregion Mittelungarn. In Fünfkirchen ist ihr zentraler Anlaufpunkt seit 1990 das Lenau Haus, das wie der Kulturverein nach dem bedeutenden Biedermeier-Dichter Nikolaus Lenau benannt ist. Lenau zog es im 19. Jahrhundert nach Amerika, viele Ungarndeutsche suchen seit der Wende ihr wirtschaftliches Glück in Deutschland und Österreich.

In den letzten Jahren hat der Lenau Verein aber auch mit einer neuen Bedrohung zu kämpfen. "Den immer stärker werdenden ungarischen Nationalismus spüren wir auch", sagt Zoltán Schmidt, Regionalbüroleiter der Deutschen Selbstverwaltungen in der Branau, dem Verwaltungsbezirk Baranya. Dabei ist gerade Fünfkirchen, das 2010 Kulturhauptstadt Europas war, mit seinen neun hier ansässigen Minderheiten der beste Beweis dafür, dass man auch ohne Homogenisierung der Gesellschaft gut zusammenleben kann.

Vielfalt für alle

Als politisch neutrale Minderheitenorganisation wird der Verein vom ungarischen Staat seit einigen Jahren finanziell stärker unterstützt. So kann er auch unter erschwerten Umständen weiterhin seine Brückenfunktion zwischen Ungarn und Deutschen durch verschiedenste kulturelle Aktionen von Theaterworkshops über Ausstellungen bis zu Sprachcafés in Fünfkirchen wahrnehmen. Eine wichtige Rolle spielt dabei seit 2013 die Zusammenarbeit mit dem ifa (Institut für Auslandsbeziehungen).

Die ifa-Entsandten kümmern sich vorrangig um die Jugend- und Öffentlichkeitsarbeit. So ist etwa auch durch die Initiative der ehemaligen ifa-Entsandten Sandra György der hauseigene Jugendclub Treffpont  entstanden, dessen regelmäßige Angebote nun die aktuelle ifa-Kulturmanagerin in Fünfkirchen Anna Czenthe koordiniert. Aber auch die Zusammenarbeit mit Schülern und Freiwilligen, aus der unter anderem das Schulmagazin Einmalig hervorgegangen ist, ist Teil dieser erfolgreichen Kooperation. Durch die grenzübergreifende Vernetzung sind zudem in den letzten Jahren auch gemeinsame Veranstaltungen mit deutschen Minderheitenorganisationen aus Serbien und Rumänien ermöglicht worden. In Fünfkirchen selbst fanden Aktionen mit der kroatischen und der Roma-Minderheit statt.

Grenzen überwinden

Diese Offenheit ist für Anna Czenthe sehr wichtig: "Das Lenau Haus ist offen für zivilgesellschaftlichen Initiativen, und hat bereits mehrere aufgegriffen – zum Beispiel mit Theatergruppen und der Kooperation der Jugendlichen der verschiedenen Minderheiten. Durch die verschiedenen Medienworkshops werden die Jugendlichen unter anderem auch dafür sensibilisiert, die Glaubwürdigkeit der Informationen zu überprüfen." Alle Interessierten sind herzlich willkommen, etwa bei der Stadtrallye, an der jedes Jahr 120 Schüler teilnehmen und ungarndeutsche Spuren in Fünfkirchen entdecken.

Als nächstes größeres Projekt plant Anna Czenthe für die Zeit nach der Corona-Krise zusammen mit ihren ifa-Kolleginnen und -Kollegen in Bratislava und Sombor übrigens einen Journalismus-Workshop im slowakischen Kaschau/Košice, der in Zusammenarbeit mit dem Romano Sumnal Verein aus Sachsen entsteht.

Der Text entstand 2019 im Rahmen des 25-jährigen Jubiläums des Entsendeprogramms.


Über das Entsendeprogramm

Das Entsendeprogramm bietet Arbeitsaufenthalte in Organisationen deutscher Minderheiten im östlichen Europa oder in einem Staat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Die Entsandten arbeiten als Kulturmanagerinnen und -manager oder Redakteurinnen und Redakteure in ausgewählten Projekten und unterstützen die Einrichtungen mit ihrem Knowhow.

Mehr erfahren