Besucher einer Ausstellung

Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft in Breslau

Breslau / Wrocław (Polen): Die Vermittlung der eigenen Perspektive

Die niederschlesische Metropole Breslau ist seit Jahrhunderten das multikulturelle und multiethnische Zentrum der Region. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen haben die Bevölkerungsstruktur der Stadt und ihrer Umgebung zwar stark verändert, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem EU-Beitritt Polens ist aber auch Breslau wieder viel bunter geworden.

"Als das Reisen möglich wurde, hat sich die Einstellung der polnischen Mehrheit zu vielen Themen geändert, auch zu den Deutschen", sagt Krystyna Kadlewicz, Vorsitzende der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft in Breslau (DSKG). "Wir haben das gleich genutzt und die DSKG gegründet." Damals ging es vielen um die Wiederentdeckung der eigenen Identität, das Treffen mit anderen Deutschen in Niederschlesien und Polen. Heute nutzt die DSKG ihre Erfahrungen aus dieser Zeit, um andere Minderheiten und die Mehrheitsgesellschaft in die Kulturarbeit einzubeziehen.

Neue Netze

Dabei helfen seit Beginn des ifa-Entsendeprogramms vor 25 Jahren ifa-Kulturmanagerinnen und -manager sowie Kulturassistentinnen und -assistenten. "Sie haben dafür die passenden Instrumente", sagt Krystyna Kadlewicz. "Vor allem sind die Entsandten alle junge Leute. Sie können einfacher auf andere junge Leute, zum Beispiel an Hochschulen, zugehen und dort anerkannt und akzeptiert werden." Damit schaffen ifa-Entsandte neue Netzwerke, die auch zur Vermittlung des Wissens über die deutsche Geschichte der Stadt und Region genutzt werden können.

Eines der aktuellen Projekte von ifa-Kulturmanagerin Daria Leduck bei der DSKG war die Organisation eines Thementages zur Rolle Breslaus in der Raumfahrt unter dem Titel "Von Breslau zum Mond". "Das Thema ist sehr interessant und in Europa fast vergessen", sagt Krystyna Kadlewicz. Gespannt wurde ein Bogen von den 1920er Jahren, über aktuelle Entwicklungen bis zu Zukunftsplänen. Als Gäste sprachen dabei der deutsche Autor Wolf Kampmann und die polnische Ingenieurin Justyna Pelc im Prunksaal der Breslauer Universität vor einem zumeist jungen Publikum. "Das Projekt zeigt der Universität, dass die DSKG, die deutsche Minderheit, zusammen mit dem ifa über die Möglichkeit verfügt, gute Sachen zu organisieren", fügt Krystyna Kadlewicz hinzu.

Sichtbar im Überangebot

Diese Impulse nach außen sind für die DSKG sehr wichtig, da es bei einem Überangebot an Veranstaltungen nicht immer einfach ist, herauszustechen. Die einzigartige Perspektive der deutschen Minderheit ist aber auch durch die ifa-Entsandten zu einem sichtbaren Teil Breslaus geworden. Ein so entstandener Stadtplan führt zu sichtbaren Spuren deutscher Aufschriften, eine Podiumsdiskussion vereinte die Breslauer Minderheiten an einem Tisch und Veranstaltungsreihen zu Migration und Flucht zeigten, was man aus historischen Erfahrungen heute lernen kann.

Auch in die immer wichtiger werdende Öffentlichkeitsarbeit sind die ifa-Entsandten eingebunden. Sie gestalten die Internetseite der DSKG, posten in sozialen Medien und arbeiten aktiv an der Zeitschrift "Niederschlesische  Informationen" mit. "Das ist unser Fenster, mit dem wir uns in Deutschland und in Polen vorstellen", sagt Krystyna Kadlewicz.

Für sie, die seit Gründung der DSKG dabei ist, ist die Arbeit in der Gesellschaft eine Herzensangelegenheit. "Die deutsche Minderheit ist heute ein Zeugnis der jahrhundertelangen deutschen Kulturgeschichte, die Architektur, die Kunst und auch die Ökonomie prägte. Wir sind die einzig verbliebenen Zeugen dafür und das Wissen der Mehrheit darüber zu stärken ist wichtig", sagt Krystyna Kadlewicz. "Die Rolle des ifa ist dabei unschätzbar wichtig."

Der Text entstand 2019 im Rahmen des 25-jährigen Jubiläums des Entsendeprogramms.


Über das Entsendeprogramm

Das Entsendeprogramm bietet Arbeitsaufenthalte in Organisationen deutscher Minderheiten im östlichen Europa oder in einem Staat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Die Entsandten arbeiten als Kulturmanagerinnen und –manager oder Redakteurinnen und Redakteure in ausgewählten Projekten und unterstützen die Einrichtungen mit ihrem Knowhow.

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