Marcel Broodthaers
24 Images Seconde
1970
35 mm s/w-Filmstreifen und Bleistift auf Karton
50 x 65cm
“Mais qu'importe l'éternité de la damnation à qui a trouvé dans une seconde l'infini de la jouissance !”
Charles Baudelaire, französischer Dichter, sprach in seinem Band „Pariser Spleen“ (1869) von der einen Sekunde unendlicher Freude, die die Ewigkeit der Verdammung aufwiegen vermag. Der belgische Künstler Marcel Broodthaers verkürzte in seinem Film „Une Seconde d'Eternité (D'après une idée de Charles Baudelaire)“ (1970) seine Idee auf „Eine Sekunde Ewigkeit“. Eine Sekunde Film, die in 24 Bildern im ewigen Loop abgespielt wird und nur die Linienwerdung von zwei Buchstaben zeigt: M.B.
Die Arbeit „24 Images Seconde“, französisch für 24 Bilder Sekunde, ist ein Abzug des gesamten Films. Der Filmstreifen zeigt alle Bildschnipsel und gibt Überblick über das zunehmende Erscheinen der Buchstaben. Es sind die Initialen des Künstlers. Aufgelegt auf Karton sind die Stills mit Bleistift handschriftlich nummeriert, ergänzt durch den Titel, die erneuten Initialen M.B., die Editionsnummer 40/50 sowie Ort (Berlin) und Jahr (70). Was scheint wie eine Arbeit aus der Bildredaktion, zur Produktion verarbeitet, ist eine Anspielung auf mehrerlei Ebenen: die Signatur, Geste des Künstlers zur eigenen Verewigung, ist Mittelpunkt der inhaltlichen Schöpfung. Einst individuell und unnachahmlich steht sie jedoch im Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit im Kontext Film plötzlich als unendlich wiederholbar, generisch und mechanisch da.
„Mir scheint, dass die Signatur des Autors, sei es die eines Künstlers, eines Filmemachers oder eines Dichters, wenig zählt; sie ist der Beginn eines Systems von Lügen, das alle Dichter, alle Künstler zu etablieren versuchen, um sich zu verteidigen, ich weiß nicht genau, gegen was.“ Broodthaers war, ebenso wie Baudelaire, Dichter. Er begann mit der Bildenden Kunst, indem er seine Gedichte in Vitrinen platzierte und plötzlich wurden sie als Kunst wahrgenommen. „Une Seconde d‘Eternité“ schreibt sich von selbst, die manuelle Arbeit ist abwesend, das Werk selbst ist abwesend, präsent allein ist der signierende Teil. „24 Images Seconde“ wiederum verstetigt diesen Künstlernarzissmus und nimmt ihm zugleich jeglichen Künstlermythos: eine Sekunde im Film vermögen eine Ewigkeit der Poesie aufwiegen. Oder so ähnlich…