Albert Oehlen
From here to eternity, but not home
1984
Radierung, Plastiklinse
787 x 565 x 50mm
„Es ist bekannt, dass sich Weber des Kaleidoskops bedienen, um neue Muster zu erfinden, wobei sie es dem Zufall überlassen, die gemalten Glasstücke zusammenzufügen.“ (August Strindberg, Du hasard dans la production artistique, 1894)
Ob Albert Oehlen im Jahr 1984 diese Zeilen zur Inspiration seines Werkes From here to eternity, but not home vor Augen hatte, bleibt offen. Oehlen selbst suchte sich den Text Strindbergs „Neue Kunstformen! Oder der Zufall im künstlerischen Schaffen“ für die Ausstellungspublikation „Albert Oehlen. Peintures/Malerei 1980-2004“, 18.06.-05.09.2004 im Musée cantonal des beaux-arts de Lausanne, aus. Sicher ist jedoch, dass Oehlen sich formal in Aussage und Praxis mit Strindbergs Zitat trifft, ob nun konkret im vorliegenden Werk oder im weiter gefassten Oeuvre des Künstlers.
Die Radierung zeigt in feinen Linien stark konzentrische geometrische Formen, die ausgehend von einem hintergründig kantigen Rechteck (bereits das Format der Arbeit reiht sich hier ein) übergehen in elliptische Verbiegungen, hin zu harmonisch einfassenden Kreisen. Der Eindruck eines, wenn auch unregelmäßigen, Mandalas entsteht. Die Mitte der Arbeit bildet eine aufgeklebte durchsichtige Plastiklinse, die sich wie ein künstliches Auge den Formlinien aufdrückt und die Möglichkeit zur schier unendlichen Varianz des Musters, wie beim Drehen eines Kaleidoskops, hervorruft.
Oehlen, als vielseitiger Künstler mit Schwerpunkt auf der Malerei, zählt zu den „Neuen Wilden“, eine Künstlerbewegung der 1980er-Jahre. Der spontane Ausdruck, die provozierende Aktion, der Bruch mit Konventionen aller Art, dies waren für Oehlen & Co. treibende Kräfte zur künstlerischen Tätigkeit. So ist etwa die vermeintliche expressive Reduziertheit der Arbeit durch Oehlens bewusste händische Schräge und Nachführung der Linien gebrochen, gerade im Medium der Radierung ein schreiender Stilbruch.
Die „Unendlichkeit“ mag in die elliptischen Umlaufbahnen der Arbeit einzulesen sein, doch ist der im Werk ausgeschriebene Titel deutlich durch eine gerade Linie vom Rest des Bildes abgetrennt, fast wie eine Bildunterschrift. Oehlen möchte Assoziationen und Inhalte aufmachen, ein Text dient ebenso dazu wie das Bild, beide Elemente sind jedoch nicht in einem Bedeutungsverhältnis zu sehen. Oehlen nutzt die mögliche Bedeutungsaufladung und die malerische Technik, um uns vorzuführen: in seiner Kunst mache man sich keine Illusion (mehr). Oder etwas poetischer in Strindbergs Worten: „Jeder hört seine eigene Melodie und Harmonie, entsprechend dem Wind, wie er zufällig ist.“
Zu sehen war das Werk nach seinem Ankauf 1989 in der ifa-Tourneeausstellung „Grafik der 80er-Jahre Bundesrepublik Deutschland“, welche von 1992 bis 2000 unterwegs war und an 44 Orten gastierte.
Text: Clemens V. Wildt