Isa Genzken
Hof
1990
Beton, Stahlgestell
258 x 66 x 76 cm
In Augenhöhe steht eine Betonstruktur auf einem dünnen Gestell aus Stahlrohr. Drei Wände bilden einen fast quadratischen Raum, der nur auf einer Seite und nach oben hin offen ist, eine Art “Hof” also. Die Mauer ist in mehreren Arbeitsschritten aus Beton gegossen. Durch dieses Verfahren entstehen einzelne übereinandergeschichtete Bauteile. Organische Linien, wie man sie bei der Ablagerung von Sedimenten beobachten kann, entstehen dort, wo die Schichten aufeinandertreffen. Reste von weißer Farbe sind am Beton zu sehen. Die Größe der Skulptur bewegt sich zwischen architektonischem Modell und einem begehbaren Raum. Das Objekt wirkt fragmentarisch. Die abgebrochenen oberen Kanten und Ecken erinnern an eine Ruine.
Seit dem Ende der 1980er Jahre produzierte Isa Genzken, die 1948 geboren wurde, eine Reihe dieser Betonskulpturen. Sowohl die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Stadtlandschaften, in denen die Künstlerin aufwuchs, als auch der Fall der Berliner Mauer 1989, der in Deutschland nicht nur die politischen Verhältnisse, sondern auch den physischen Raum veränderte, klingen in den Arbeiten an. Das Material Beton steht, als wichtigstes Baumaterial der Moderne, für eine klare Formsprache, aber auch für die utopischen Ansätze, die von Le Corbusier bis zu den Plattenbausiedlungen der Nachkriegszeit reichen. “Hof” lässt all diese Deutungsperspektiven zu.
In der direkten Betrachtung entwickelt die Arbeit von Isa Genzken jedoch ihre eigentliche Stärke. Die Größe der Skulptur unterstützt ein direktes körperliches Erleben von Räumlichkeit gleichzeitig steht man dem architektonischen Gebilde gegenüber und kann die grundlegende Bedeutung, die die Architektur für unserer Lebensrealität hat auf Augenhöhe reflektieren. Architektur spielt in den Arbeiten von Isa Genzken immer wieder eine wichtige Rolle. In einem ihrer seltenen Interviews bringt sie das in klaren Worten zum Ausdruck. Ja, sie sei fasziniert von Architektur. “Du lebst darin, Du arbeitest darin, Du brauchst sie jeden Tag, manchmal ist sie schlecht, - meistens, und manchmal ist sie sehr schön.”
Auf ein bestimmtes Material lässt sich Isa Genzken nicht festlegen. Sie kleidete 2007 den Deutschen Pavillon auf der Biennale von Venedig mit einem orangefarbenen Baustellenzaun aus Plastik ein. Auf der Documenta 11 zeigte sie 2002 die Serie “New Buildings for Berlin” aus bunten Glasplatten. Die Assemblage aus den verschiedensten Dingen und Materialien ist das wichtigste Prinzip ihrer Kunst. Auch wenn Isa Genzken mit sehr vielfältigen Materialien arbeitet und sich ihr Werk nicht einer bestimmten visuellen Sprache zuordnen lässt, haben die Arbeiten doch einen eindeutigen Wiedererkennungswert: Ihnen allen ist die Freiheit im Umgang mit den Materialien gemeinsam, mit der die Künstlerin ihre Skulpturen entstehen lässt.
Text: Maximilian Bauer