Sie setzten sich für Frauenrechte ein. Warum ist Ihnen dieses Thema persönlich wichtig?
Als ich etwa 14 Jahre alt war, wollte ich unbedingt in den politischen Diskussionen meiner männlichen Verwandten mitreden. Trotz meiner Begeisterung und meines Wissens wurde ich immer wieder unterbrochen. Sie wiesen mich ab, da dies "Männergespräche" seien. Ihre Reaktionen machten mir schmerzlich deutlich, dass meine Stimme als weniger wertvoll angesehen wurde, nur weil ich ein Mädchen war.
Ungefähr zur gleichen Zeit wurde meine Leidenschaft für Basketball unterdrückt, weil meine Mutter zuerst die Zustimmung meines Bruders einholte, wenn ich trainieren wollte. Sie benutzte seine Vorbehalte als Grund, um mich an der Teilnahme zu hindern. Es war zutiefst frustrierend zu sehen, wie meine Entscheidungen eingeschränkt wurden, trotz meines Engagements und meiner harten Arbeit.
Diese Erfahrungen haben mir bewusst gemacht, wie Frauen und Mädchen oft als Bürgerinnen zweiter Klasse behandelt und ihre Leidenschaften und Stimmen durch veraltete Normen unterdrückt werden.
Welche grundlegenden Rechte fehlen Frauen derzeit im Irak?
Es gibt kein spezifisches Gesetz, das häusliche Gewalt unter Strafe stellt. Stattdessen gilt in solchen Fällen das irakische Strafgesetzbuch, was wirksame rechtliche Maßnahmen erschwert. So werden beispielsweise schwere Verbrechen wie "Ehrenmorde" als bloße Ordnungswidrigkeit behandelt und ihr Strafmaß auf maximal drei Jahre reduziert. Außerdem erlaubt es Ehemännern, ihre Frauen zu "disziplinieren", was den Schutz der Frauen untergräbt und zum Fortbestehen geschlechtsspezifischer Gewalt beiträgt.
Es gibt neue Änderungsvorschläge für das Personenstandsgesetz, mit denen das gesetzliche Heiratsalter auf neun Jahre gesenkt werden soll. Dies würde nicht nur den Schutz junger Mädchen vor frühen und potenziell ausbeuterischen Ehen untergraben, sondern auch internationale Standards ignorieren, wie das "Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau" und das "Übereinkommen über die Rechte des Kindes" der UN Kinderrechtskonvention.
Der derzeitige Rechtsrahmen stellt das Wohlergehen der Opfer und Überlebenden nicht in den Vordergrund. Es besteht ein dringender Bedarf an einer umfassenden Gesetzgebung, die alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt ausdrücklich unter Strafe stellt und robuste Unterstützungssysteme bereitstellt, die mit internationalen Menschenrechtsstandards in Einklang stehen.
Entscheidend ist auch, dass die Überlebenden psychologisch unterstützt werden, um das erlebte Trauma zu verarbeiten. Wir bringen sie mit nationalen und internationalen Dienstleistern in Kontakt, die psychologische Unterstützung, Programme zur Sicherung des Lebensunterhalts und Rehabilitationsmaßnahmen anbieten. Wir wollen vor allem das Stigma und die Angst zu überwinden, die Frauen davon abhalten, Hilfe zu suchen. Wir wollen sicherstellen, dass sie umfassende, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Unterstützung erhalten.
Was war Ihr bisher größter Erfolg?
Wir dokumentieren den Völkermord an den Jesiden und die von ISIS begangenen Gräueltaten. Ein Erfolgserlebnis war die Verurteilung eines ISIS-Täters, die wir durch unsere detaillierte Dokumentation ermöglichten. Ich war direkt an der Sammlung und Zusammenstellung von beweiskräftigen Informationen beteiligt, insbesondere für Fälle von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, die wir mit den zuständigen Behörden und internationalen Nichtregierungsorganisationen geteilt haben. Unsere Arbeit ist daher sehr wichtig, damit Opfer Gerechtigkeit erfahren und Täter für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.
Anmerkung der Redaktion:
*Im Jahr 2014 begann der Völkermord des Islamischen Staates im Irak und in Syrien (ISIS) an den Jesiden von Sinjar (Irak). Der IS tötete Männer und ältere Frauen, Jungen wurden als Kindersoldaten versklavt, jüngere Frauen und Mädchen wurden versklavt und systematisch missbraucht. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden zwischen 5.000 und 10.000 Jesiden getötet und mehr als 7.000 Frauen entführt. Die Vereinten Nationen erkennen die Verbrechen als Völkermord an. Bis heute werden Tausende von Frauen gefangen gehalten.