Der nicht ganz unverkrampfte Umgang mit jüdischem Leben in Deutschland ist auch Thema des Kurzfilms "Masel Tov Cocktail", der 2021 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Darin begegnet der Protagonist immer wieder Menschen, die eine bestimmte Haltung zum Judentum haben, meist mit Bezug zum Holocaust. Wie kann es gelingen, für jüdisches Leben jenseits der Shoah zu sensibilisieren, auch über Festjahre hinaus?
Das ist eine gute Frage. Persönliche Begegnungen sind wichtig, aber man muss ja auch sehen, dass die Wahrscheinlichkeit einem Juden zu begegnen, statistisch eher gering ist, bei schätzungsweise 150.000 Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland. Das macht es umso schwieriger. Es gibt erfolgreiche Initiativen wie "Meet a Jew", aber diese sprechen nur einen bereits interessierten Kreis an. Die Auseinandersetzung mit heutigem jüdischem Leben muss nach dem Festjahr weitergehen und in bestehende Prozesse einfließen, zum Beispiel im Bildungsbereich. Natürlich muss man auch über den Holocaust reden, aber wir brauchen zusätzlich zukunftsgewandte Erinnerungsbildung – in den Schulen, in den Universitäten, in der politischen Bildung und auch in den Medien. In dem von Ihnen angesprochenen Kurzfilm heißt es auch: "There is no business like Shoah business", und leider stimmt das.