Menschenrechte werden weltweit verletzt. Daran erinnert der Tag der Menschenrechte am 10. Dezember. Gegen diese Verletzungen setzten sich Menschenrechtsverteidiger:innen ein und bringen sich dadurch immer wieder in Gefahr. Ihnen bietet die Elisabeth-Selbert-Initiative die Möglichkeit einer temporären Auszeit an sicheren Orten, in Deutschland oder anderen Ländern.
Ich kam in erster Linie für meine Sicherheit hierhin, aber ich will auch meine Menschenrechtsarbeit fortführen.
Illustration: Lea Dohle
Das berichtet eine Menschenrechtsverteidigerin aus Lateinamerika, die eine von der Elisabeth-Selbert-Initiative (ESI) geförderte temporäre Auszeit nahm. Die Menschenrechtsarbeit der geförderten Menschen ist dabei sehr vielfältig.
Viele Themen – ein Wert
Der Vertreter einer indigenen Gemeinschaft in Lateinamerika setzt sich für kulturelle Rechte und gegen Landraub ein. Die Journalistin aus Nordafrika geht mit ihren Recherchen zu Polizeigewalt an die Öffentlichkeit. Der Menschenrechtsanwalt überwacht mit seiner Organisation die Einhaltung der Rechte von Gefangenen und verteidigt Opfer von Menschenrechtsverletzungen vor Gericht. Andere treten in ihrem Land dafür ein, dass die Rechte von LGBTIQ+ in der Gesetzgebung verankert und besonders vulnerable Gruppen über ihre Rechte aufgeklärt werden.
Doch alle Menschenrechtsverteidiger:innen verbindet: Sie tragen mit ihrer Arbeit dazu bei, dass internationale Menschenrechtsabkommen eingehalten werden. Abkommen wie die UN-Antifolterkonvention, die UN-Frauenrechtskonvention oder das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen.
Der Preis ist hoch
Mit ihrem Engagement gehen sie ein hohes Risiko ein. Morddrohungen, oft über mehrere Jahre, sollen sie abschrecken, ihre Menschenrechtsarbeit fortzuführen. Einige werden verhaftet, entführt, gefoltert. Manche geraten vor Wahlen stärker unter Druck, weil sie der Opposition zugerechnet werden. Bürokratische Hürden, beispielsweise bei der Registrierung ihrer Organisation, schränken den zivilen Raum ein. Die Gefahr, verhaftet zu werden, steigt mit der Kriminalisierung der Menschenrechtsarbeit noch weiter an.
Erholung und Reflektion
Unabhängig von Arbeitsinhalt und Herkunftsland tut dem Wohlbefinden der Menschenrechtsverteidiger:innen der temporäre Aufenthalt an einem sicheren Ort gut.
Eine Person aus Nordafrika erzählt:
Mein Leben war hektisch. Ich hatte keine Angst, bis ich verhaftet wurde. Das hat alles verändert, ich wurde ängstlich. Hier ist alles langsamer, das gibt mir Zeit, in mich zu hineinzuschauen und zu entdecken, was mir wichtig ist.
Während eines Schutzaufenthaltes haben Menschenrechtsverteidiger:innen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen und Traumata zu reflektieren und zu lernen, wie sie mit Stress umgehen und neue Kraft finden können.
Manche erkennen erst hier, dass sie permanent unter Druck stehen und wie erschöpft sie sind. So auch ein LGBTIQ+ Aktivist aus dem östlichen Afrika:
Als ich hierherkam, hatte ich immer noch das Gefühl, weglaufen zu müssen, aber dann wurde mir klar: Nein, ich kann jetzt aufhören wegzulaufen.
Illustration: Lea Dohle
Sich eine Auszeit zu nehmen, geht nicht immer ohne innere Konflikte.
Am Anfang fühlte ich mich privilegiert, weil andere in meinem Heimatland weiterkämpfen müssen. Doch dann fiel eine Last von mir ab,
erinnert sich eine Menschenrechtsverteidigerin aus Lateinamerika, die mittlerweile in ihr Land zurückgekehrt ist und ihre Arbeit fortführt.
Illustration: Lea Dohle
Die tägliche Konfrontation mit der Gefahr, aber auch der unermüdliche Einsatz für die Menschenrechte führt dazu, dass Menschenrechtsverteidiger:innen in ihren Ländern wenig Raum und Zeit haben, über ihre eigene Sicherheit zu reflektieren. Welche Maßnahmen könnten meine Sicherheit erhöhen? Welche Kontakte sind hilfreich? Wie verhalte ich mich in bestimmten Situationen? An einem sicheren Ort können sie diese Fragen reflektieren. Begleitet und unterstützt von Gastorganisationen haben sie die Möglichkeit, eine Strategie für die Zeit nach dem temporären Aufenthalt zu entwickeln. Denn dass sie ihre Menschenrechtsarbeit fortführen, steht für sie außer Frage.
Vernetzung
Durch einen Schutzaufenthalt ergeben sich neue Kontakt und Netzwerke, neben der Erholung bezeichnen die Menschenrechtsverteidiger:innen das als wichtigste Erfahrung. Der indigene Gemeindevertreter präsentierte die Menschenrechtslage in seinem Land vor dem UN-Hochkommissar in Genf für indigene Minderheiten. Der LGBTIQ+ Aktivist plant in Zusammenarbeit mit einer deutschen Nichtregierungsorganisation ein Menschenrechtsprojekt in seinem Land. Der Austausch mit der Gastorganisation und anderen Nichtregierungsorganisationen schafft neue Perspektiven für die Fortführung der Menschenrechtsarbeit.
Das Wichtigste war für mich die Vernetzung mit anderen Organisationen. Ich freue mich darauf, nach meiner Rückkehr mit diesen Netzwerken weiter zusammen zu arbeiten. (Menschenrechtsverteidigerin, Lateinamerika)
Illustration: Lea Dohle
Über die Elisabeth-Selbert-Initiative
Die nach der Frauenrechtlerin und Juristin benannte Elisabeth-Selbert-Initiative ermöglicht gefährdeten Menschenrechtsverteidiger:innen temporäre Auszeiten an sicheren Orten, in Deutschland oder anderen Ländern. Die Initiative wird vom ifa mit Mitteln des Auswärtigen Amtes umgesetzt.