Alle Farben – Der Kampf für Trans*-Rechte in Pakistan
Von
Hanna Latsch & Malina Becker
Pakistan ist als ein eher konservatives Land bekannt. Trotzdem verabschiedete das pakistanische Parlament 2018 eines der weltweit fortschrittlichsten Gesetze über die Rechte von trans* Personen. Kami Sid und Hina sind von der NGO Sub Rang Society und Teilnehmer:innen des CrossCulture Programms Synergy des ifa. Im Gespräch beleuchten sie den Alltag von Trans* in Pakistan, berichten über ihren Aktivismus und machen deutlich, was zur Verbesserung der Situation von Trans* in ihrem Land noch getan werden muss.
Wenn der Fluss in die eine Richtung fließt, musst du ihn nicht umdrehen wollen. – Zitat Hinas Therapeutin
"Junge, der sich gern wie ein Mädchen anzieht" – diese Worte gab der:die Neuntklässler:in Hina (Pronomen "er:sie") vor Jahren bei der Internetsuche ein. Mit dem Gefühl, in seinem:ihrem konservativen und traditionellen familiären Umfeld allein und unverstanden zu sein, suchte Hina nach Antworten. Im Internet aber entdeckte er:sie, dass es auf der ganzen Welt noch andere Menschen mit denselben Fragen und inneren Kämpfen bezüglich der geschlechtlichen Identität gibt. Dazu fand Hina aber auch solche, die ihr wahres Selbst als LSBTIQ1 leben. So fühlte sich Hina besser verstanden. Er:Sie hatte Glück, in Pakistan eine Therapeutin zu finden, die auch zu LSBTIQ forscht und ihm:ihr sagte: "Wenn der Fluss in die eine Richtung fließt, musst du ihn nicht umdrehen wollen". Das half Hina dabei, die eigene Identität zu akzeptieren: als nicht-binär2.
"Ich kleide mich gern als Frau, trage aber auch Sachen, die als Männerkleidung interpretiert werden können", erklärt Hina. "Es ist mir egal, ob sich die Leute mit dem männlichen oder dem weiblichen Pronomen auf mich beziehen, und ob ich mit meinem richtigen oder meinem selbstgewählten Namen angesprochen werde." Nicht-binär ist eine Identität, die vielen Pakistanis noch unbekannt ist. Selbst in der Trans*-Community ist es nicht einfach, als nicht-binär akzeptiert zu werden. In einigen Häusern, in denen trans* Frauen zusammen leben, sind andere Identitäten nicht willkommen. "Die Kultur der khawaja sara3 kann sehr toxisch sein", sagt Hina. Er:sie hatte jedoch Glück und fand einen Guru und ein Haus, wo er:sie als das, was er:sie ist, akzeptiert wurde, und schloss sich der NGO Sub Rang Society an. Die Organisation bietet Unterstützung für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten in Pakistan, versucht zu sensibilisieren und kämpft gegen die Stigmatisierung, der die gesamte Community ausgesetzt ist.
Der Anfang einer langfristigen Zusammenarbeit
Getragen von dem Wunsch, von internationalen LSBTIQ-Organisationen zu lernen und Erfahrungen mit ihnen zu auszutauschen, nahm Hina im Jahr 2019 an den CCP Fellowships teil. Dabei arbeitete er:sie im Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) in Köln mit. Während seines*:ihres Stipendienaufenthalts lernte Hina bei einem CCP-Workshop über Gender und Vielfalt Danijel Cubelic kennen. Cubelic ist derzeit Leiter des Amts für Chancengleichheit der Stadt Heidelberg sowie stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR).
Durch eine Förderung von CCP Synergy wurde es Mitgliedern der Sub Rang Society und von ECCAR ermöglicht, sich im November 2021 im Rahmen der Trans*-Aktionswochen Rhein-Neckar online und vor Ort in Heidelberg zu treffen. Ziel der Kooperation war der Wissensaustausch, die Sensibilisierung für die Rechte von Trans* auf politischer Ebene und Aufklärung über die Situation von LSBTIQ in Pakistan vor einem größeren Publikum. Der Besuch von Hina und seiner:ihrer Mitstreiterin Kami Sid, Gründerin der Sub Rang Society, scheint nur der Anfang einer langfristigen Zusammenarbeit zu sein. In Zukunft könnte die Kooperation auch Tanz-Workshops, therapeutische Unterstützung und mehr Inklusivität umfassen.
Die Leute respektieren dich nicht und signalisieren dir nicht, dass du so okay bist, wie du bist. – Kami
Obwohl Pakistan als konservatives Land bekannt ist, stimmte das Parlament im Jahr 2018 dem Gesetz über (den Schutz der Rechte für) Transgender zu. Das Gesetz wurde als "Meilenstein" und als "eines der weltweit fortschrittlichsten Gesetze zu den Rechten von Trans*" bezeichnet. Es gibt den Menschen das Recht, ihr Geschlecht selbst zu bestimmen und amtlich in ihren Personalausweis eintragen zu lassen. Durch das Gesetz werden auch verschiedene Formen der Diskriminierung verboten, z. B. in der Schule und am Arbeitsplatz. Es ermöglicht Trans*, Erbschaften anzutreten und für öffentliche Ämter zu kandidieren. Darüber hinaus wurde im Juli 2021 in Pakistan die erste staatliche Schule für trans* Frauen eröffnet.
Trotz dieser Maßnahmen zeigt sich die Diskriminierung von Trans* immer noch in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, etwa im Gesundheitswesen, im Arbeitsleben, bei öffentlichen Toiletten oder bei Kontakten mit der Polizei. Kami Sid sagt: "Ich identifiziere mich als trans* Frau seit ich 22 bin. Nach meiner Erfahrung ist es in Pakistan sehr schwer, als Trans* zu leben, da die Menschen dir keine eigenen Räume zugestehen. Die Leute respektieren dich nicht und signalisieren dir nicht, dass du so okay bist, wie du bist."
Ich möchte, dass Trans* im sozialen und ökonomischen Sektor zu finden sind. Eine der Säulen besteht daher in ökonomischem Empowerment. – Kami Sid
"Sub Rang" bedeutet "alle Farben". Seit 2016 setzt sich das Team für die Rechte der LSBTIQ-Community in Pakistan ein, mit besonderem Fokus auf Trans*. Vor der Gründung der Sub Rang Society arbeitete Kami Sid für das HIV-AIDS-Programm des Global Fund. Sie erkannte jedoch, dass ihre Community mehr Engagement für Menschenrechte, mentale Gesundheit und Wohlbefinden benötigte. Der Ansatz der Sub Rang Society bei der Stärkung der Trans*-Community stützt sich auf drei Säulen: Sensibilisierung, Lobby-Arbeit und ökonomisches Empowerment. Ein Beispiel dafür ist die Einrichtung von sicheren Orten und "Solidaritätszirkeln", in denen LSBTIQ offen miteinander kommunizieren und einander unterstützen können. Die Sub Rang Society bietet für Trans* auch Hilfe bei der Arbeitssuche und für Unternehmen Unterstützung bei der Schaffung eines sicheren Umfelds für Angestellte, die trans* sind, an.
Durch zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Sub Rang Society, die sich kontinuierlich für die Rechte von Trans* einsetzen, durch die Annahme fortschrittlicher Gesetze und ein allmählich wachsendes Interesse der Allgemeinheit für Trans*-Rechte hat sich schon viel getan. Doch wie Kami Sid sagt: "Wir brauchen mehr. Wir brauchen mehr Menschen. Wir brauchen mehr große Organisationen, die uns in anderen Ländern unterstützen, weil wir wirklich über die Rechte von Trans* in unserem Land aufklären müssen. Wir müssen unsere Regierung dazu bewegen, für mehr Inklusion zu sorgen: in der Nationalversammlung, im Parlament, und bei sich selbst. Wir müssen Lobby-Arbeit bei der Regierung machen, und bei der übrigen Gesellschaft ebenfalls."
1 LSBTIQ = Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter*, Queers 2 nicht-binär = Identitäten außerhalb der Geschlechterbinarität aus männlich und weiblich; nicht-binäre Menschen identifizieren sich nicht als männlich oder weiblich 3 khawaja sara = in Pakistan verwendete Bezeichnung für Trans*
Kurzporträt Sub Rang Society
Die Organisation Sub Rang Society wurde 2016 gegründet. Sie arbeitet daran, die Trans*-Community in Pakistan zu bestärken für einen gleichberechtigten Zugang zu den Grund- und Menschenrechten, wie sie in der pakistanischen Verfassung und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert sind, einzustehen.
Kurzporträt ECCAR
Die Europäische Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR) ist eine 2004 von der UNESCO ins Leben gerufene Initiative zur Schaffung eines Netzwerks von Städten, die an einem Erfahrungsaustausch interessiert sind, um ihre Maßnahmen im Kampf gegen Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit zu verbessern. Nach der Verabschiedung eines „Zehn-Punkte-Aktionsplans“ wurden in den darauf folgenden Jahren in verschiedenen Regionen der Welt weitere regionale Bündnisse gegründet und jeweils eigene Aktionspläne ausgearbeitet, um spezifische Bedingungen und Prioritäten berücksichtigen zu können.
Kurzporträt CCP Synergy
CCP Synergy bringt zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland und den Partnerländern des CrossCulture Programms (CCP) zusammen, um eine Kooperation und langfristige Vernetzung zu ermöglichen. Die Zusammenarbeit umfasst beispielsweise die Entwicklung und Ausweitung gemeinsamer Aktivitäten, Publikationen oder Veranstaltungen.